Rz. 97
Gem. § 23 Abs. 1 S. 2 WEG können die Wohnungseigentümer beschließen, dass Wohnungseigentümer an der Versammlung auch ohne Anwesenheit an deren Ort teilnehmen und sämtliche oder einzelne ihrer Rechte ganz oder teilweise im Wege elektronischer Kommunikation ausüben können. Diese mit der WEG-Reform 2020 eingeführte Möglichkeit der "Hybridversamlung" (Kombination aus Präsenzversammlung und digitaler Teilnahme) wird sich voraussichtlich als Standard durchsetzen, denn damit sind überragende Vorteile verbunden. Ist der Beschluss zur digitalen Teilnahme einmal gefasst, können im Ergebnis sogar reine Digitalversammlungen stattfinden. Dazu kommt es, wenn nur der Verwalter am Versammlungsort präsent ist und alle übrigen Teilnehmer digital zugeschaltet werden. Sollte sich niemand zuschalten, kommt es zur Ein-Personen-Versammlung; einzige Voraussetzung ist, dass der Verwalter mit mindestens einer Vollmacht ausgestattet ist. Eigentümerversammlungen dürfen allerdings nicht als reine "Onlineveranstaltung" unter Ausschluss der Präsenz der Eigentümer einberufen werden; es verhält sich insoweit nicht anders als bei der (unzulässigen) Einladung zu einer reinen "Vollmachtsversammlung" (→ § 7 Rdn 37). Die Onlineteilnahme darf nur als zusätzliche, nicht als einzige Möglichkeit angeboten werden.
Rz. 98
Die Nichtöffentlichkeit der Versammlung kann bei einer digitalen Teilnahme nicht mit Sicherheit gewährleistet werden. Man kann die Eigentümer zwar darauf verpflichten, keine Dritten zuhören zu lassen; wirksam kontrollieren lässt sich die Einhaltung einer solchen Vorgabe aber nicht. Das gilt erst recht, da die Onlineteilnahme nicht an die Bedingung geknüpft werden kann, dass der Teilnehmer sich in einem abgeschlossenen Zimmer aufhalten müsse; wer sich aber an einem öffentlichen Ort befindet, kann das Zuhören Dritter kaum verhindern. Diese praktischen Schwierigkeiten sprechen nicht gegen die digitale Teilnahme. Vielmehr bestärkt deren gesetzliche Zulässigkeit die hier vertretene Auffassung, wonach es zur Disposition der Gemeinschaft steht, dem Grundsatz der Nichtöffentlichkeit mehr oder weniger Gewicht beizumessen. Wenn die Gemeinschaft die Onlineteilnahme ermöglicht, nimmt sie damit gewisse Einschränkungen der Nichtöffentlichkeit in Kauf. Einen Anfechtungsgrund stellt das nicht dar.
Rz. 99
Wenn die Onlineteilnahme durch einen entsprechenden Beschluss eingeführt wird, wird dessen Umsetzung im Normalfall auf die nächste Versammlung verschoben. Es ist aber möglich, mit entsprechender Vorankündigung Einführung und Umsetzung zusammenfallen zu lassen, indem die im Versammlungsraum anwesenden Eigentümer (oder womöglich allein der mit mindestens einer Vollmacht ausgestattete Verwalter) als erstes (unter TOP 1) den Beschluss über die Zulassung digitaler Teilnehmer fassen. In Umsetzung dieses (mit seiner Fassung wirksamen) Beschlusses werden sodann die digitalen Teilnehmer zugeschaltet. Die Versammlung wird "hybrid" fortgesetzt (bzw. eigentlich erst begonnen).
Rz. 100
Muster 7.10: Beschluss zur Onlineteilnahme an Eigentümerversammlungen
Muster 7.10: Beschluss zur Onlineteilnahme an Eigentümerversammlungen
Ankündigung:
TOP 1: Beschluss zur Teilnahme an Eigentümerversammlungen mittels elektronischer Kommunikation gem. § 23 Abs. 1 S. 2 WEG
Beschlusstext:
Die Teilnahme an Eigentümerversammlungen mittels elektronischer Kommunikation wird ab sofort [oder: ab der nächsten Versammlung] nach Maßgabe der folgenden Regelungen zugelassen:
1. |
Wohnungseigentümer dürfen auch in elektronischer Form an Wohnungseigentümerversammlungen teilnehmen. Die Verwaltung wird angewiesen, die hierzu erforderliche technische Infrastruktur bereitzustellen, insbesondere am Versammlungsort eine entsprechende technische Ausstattung vorzuhalten. [Optional: Dabei soll aus der Versammlung heraus lediglich eine Ton-, aber keine Bildübertragung erfolgen.] Die Auswahl des jeweiligen Programms, das die Teilnahme ermöglicht, obliegt der Verwaltung in eigener Verantwortung. Die Zugangsmöglichkeiten sind zusammen mit der Einladung zur Versammlung bekannt zu geben. Die technischen Voraussetzungen für die digitale Teilnahme auf Seiten der Wohnungseigentümer haben diese auf eigene Kosten zu schaffen. |
2. |
Aufzeichnungen dürfen nicht angefertigt werden. Der Online-Teilnehmer ist zudem verpflichtet, die Übertragung an Nichtberechtigte bzw. das Zuhören durch Dritte zu unterbinden, um die Nichtöffentlichkeit der Versammlung zu wahren. |
3. |
Der Online-Teilnehmer kann seine Teilnahme-, Rede-, Antrags- und Stimmrechte per Chat-, Audio- und Videofunktion [ggf. Unpassendes streichen] ausüben. Variante: Der Online-Teilnehmer hat das Recht zur Teilnahme als Zuhörer. Wortbeiträge sind zulässig, soweit dies technisch möglich ist. Aus Gründen der Praktikabilität kann das Stimmrecht aber nicht in elektronischer Form ausgeübt werden. Insoweit ist der Online-Teilnehmer darauf verwiesen, sich durch den Verwalter oder einen am Versammlungsort physisch anwesenden Eigentümer vertreten zu lassen. |
4. |
Übertragungsfehler, ... |