Rz. 64
Das Gesetz weist die mit der Einberufung, dem Verlauf und der Protokollierung der Versammlung zusammenhängenden Aufgaben und Befugnisse im Ausgangspunkt dem Verwalter zu. Insbesondere führt dieser den Vorsitz in der Versammlung, falls nichts anderes beschlossen wird (§ 24 Abs. 5 WEG). Er hat für einen geordneten, gesetzmäßigen, reibungslosen und zügigen Versammlungsablauf zu sorgen. Was dazu im Einzelnen gehört, wird unten (→ § 7 Rdn 101) dargestellt. Der Verwalter darf sich durch Hilfspersonen (Mitarbeiter, Ehegatten usw.) unterstützen lassen; diese Hilfspersonen sind dann auch teilnahmeberechtigt. Ist der Verwalter eine Gesellschaft, muss im Ausgangspunkt deren organschaftlicher Vertreter den Vorsitz führen; aus pragmatischen Gründen lässt die Rechtsprechung aber auch einen rechtsgeschäftlich bevollmächtigten Vertreter (i.d.R. den zuständigen Sachbearbeiter) zu. Ist der Verwalter eine natürliche Person, kann nichts anderes gelten: er muss nicht alle Versammlungen selbst leiten, sondern kann sich vertreten lassen. Wenn der Verwalter bzw. der Geschäftsführer der Verwaltergesellschaft die Versammlung nicht selbst bzw. unter Hinzuziehung von Mitarbeiten leitet, ist es jedenfalls aus "Stilgründen" zu empfehlen, zu Beginn der Versammlung abzufragen, ob Einwände erhoben werden und/oder die Person des Versammlungsleiters und die Teilnahme eventueller Mitarbeiter durch Beschluss bestätigen zu lassen.
Rz. 65
Die Versammlung kann gem. § 24 Abs. 5 WEG jederzeit statt des Verwalters einen anderen Versammlungsleiter wählen. Das ist z.B. dann angezeigt, wenn der Verwalter abgewählt werden soll oder die Gemeinschaft Ansprüche gegen ihn geltend machen will, weil dem Verwalter in solchen Fällen die nötige Neutralität fehlt. Durch die Wahl des Versammlungsleiters darf nach h.M. nicht der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit verletzt werden, weshalb der Versammlungsleiter zum Kreis der Teilnahmeberechtigten gehören muss; nach anderer Auffassung ist der von der Versammlung gewählte Versammlungsleiter aus dieser Funktion heraus zur Teilnahme berechtigt (→ § 7 Rdn 71). Ein gewählter Versammlungsleiter unterliegt – anderes als der Verwalter – keiner Haftung für Formfehler der Beschlussfassung; es fehlt an einer Anspruchsgrundlage.
Rz. 66
Die "Versammlung" (das sind die in der Versammlung anwesenden Eigentümer) hat das "Letztentscheidungsrecht" zu allen Fragen des Versammlungsablaufs. Das ergibt sich schon daraus, dass die Versammlung den Verwalter als Vorsitzenden stets absetzen und einen anderen Vorsitzenden bestimmen könnte, der die Versammlung nach den Vorstellungen der Mehrheit leitet. Das Absetzungsrecht“ beinhaltet somit gewissermaßen als "Minus" das Recht, dem Versammlungsleiter Weisungen zum Versammlungsablauf zu erteilen, die dieser beachten muss. Außerdem liegt der Wohnungseigentümergemeinschaft das Prinzip der Selbstverwaltung zugrunde, wozu es gehört, alle Angelegenheiten der Verwaltung – auch den Ablauf einer Versammlung – selbstbestimmt regeln zu können. Die Versammlung kann deshalb verfahrensleitende Beschlüsse fassen, für die sich die Bezeichnung "Geschäftsordnungsbeschluss" (kurz: GO-Beschluss) eingebürgert hat. Der Begriff ist indes wenig sinnvoll, denn er setzt eigentlich die Existenz einer Geschäftsordnung voraus. Eine solche ist bei Vereinen und Verbänden zwar üblich und oft gesetzlich vorgeschrieben (z.B. beim Bundestag und Bundesrat oder bei der Aktiengesellschaft), bei Wohnungseigentümergemeinschaften aber eine seltene Ausnahme (wenn auch nicht ausgeschlossen → § 7 Rdn 70). Passender und im Vordringen begriffen ist deshalb der Begriff "Verfahren" (statt Geschäftsordnung), sodass man besser von einem "Antrag zum Verfahren" bzw. von einem "Verfahrensbeschluss" spricht. Zusammengefasst bezeichnet ein Verfahrensbeschluss also eine – typischerweise einzelfallbezogene – Regelung zum Ablauf der Versammlung oder zum Ob und Wie der Beschlussfassung.
Rz. 67
Für den praktischen Umgang mit einem Verfahrensantrag gilt im Ausgangspunkt nichts anderes als für sonstige Beschlussanträge auch. Aus der Natur der Sache heraus ergibt sich allerdings die Besonderheit, dass diese Anträge vorrangig zu behandeln sind ("Verfahrens- vor Sachanträgen"), denn sie haben i.d.R. eine unmittelbar anstehende Frage des Versammlungsablaufs zum Gegenstand. Wenn z.B. ein Miteigentümer das Ende der Diskussion bzw. das Schließen der Redeliste beantragen möchte, muss er sein Anliegen sogleich vorbringen und zur Abstimmung stellen können; es wäre sinnwidrig, seine Wortmeldung bzw. seinen Antrag erst zum Zuge kommen zu lassen, wenn alle anderen Teilnehmer, die zuvor noch etwas sagen wollten, zu Wort gekommen waren. Beim Abstimmungsverfahren gilt das "allgemeine" Stimmkraftprinzip. Wie bei allen Beschlüssen muss der Verwalter die Eigentümer erforderlichenfalls im Vorfeld der Abstimmung über die Bedeutung und Tragweite des Beschlusses informieren. Das gilt ganz besonders dann, wenn ein rechtswidriger Beschlussantrag zur Ab...