A. Einberufung
I. Grundlagen
1. Vorbemerkung
Rz. 1
Für das Wohnungseigentum gilt das Recht der Selbstverwaltung. Die erforderlichen Beschlüsse werden grundsätzlich auf Versammlungen gefasst, was § 23 Abs. 1 WEG etwas umständlich mit den Worten ausdrückt: "Angelegenheiten, über die nach diesem Gesetz oder nach einer Vereinbarung der Wohnungseigentümer die Wohnungseigentümer durch Beschluss entscheiden können, werden durch Beschlussfassung in einer Versammlung der Wohnungseigentümer geordnet." Die Wohnungseigentümerversammlung ist somit das wichtigste Organ der Gemeinschaft. Weil die Durchführung der Beschlüsse Aufgabe des Verwalters ist, entspricht die Organisationsstruktur ein Stück weit der demokratischen Staatsverfassung: Die Eigentümerversammlung (Parlament) beschließt die Gesetze, die Verwaltung (Exekutive) führt sie aus.
Rz. 2
Eine Versammlung muss gem. § 24 Abs. 1 WEG mindestens einmal im Jahr einberufen werden. Denn jedes Jahr muss zumindest über die Vorschüsse und deren Anpassung (also über den Wirtschaftsplan und die Jahresabrechnung) Beschluss gefasst werden (§ 28 Abs. 1, 2 WEG). Die jährliche Versammlung nennt man meistens die "ordentliche" Versammlung und eventuelle weitere Versammlungen im selben Jahr "außerordentlich"; das Gesetz kennt diese Unterscheidung aber nicht, rechtlich ist sie daher ohne Bedeutung.
Rz. 3
Das Teilnahmerecht an Versammlungen gehört zum Kernbereich des Wohnungseigentums, weshalb die Rspr. besondere Schutzmechanismen entwickelt hat. So führt der unberechtigte Ausschluss eines Teilnahmeberechtigten zur Anfechtbarkeit der gefassten Beschlüsse, ohne dass es einer Darlegung der Kausalität bedürfte. Die vorsätzliche Nichteinladung soll gar zur Nichtigkeit der Beschlüsse führen (→ § 7 Rdn 59). Ein Quorum für die Beschlussfähigkeit einer Versammlung existiert nicht mehr. Seit der WEG-Reform 2020 ist jede Versammlung beschlussfähig, denn die Regelung des § 25 Abs. 3 WEG a.F., wonach die Beschlussfähigkeit voraussetzte, dass die erschienenen stimmberechtigten Miteigentümer mehr als die Hälfte der Miteigentumsanteile vertraten, ist ersatzlos entfallen. Abweichende Regelungen zur Beschlussfähigkeit in Teilungserklärungen sind i.d.R. wirkungslos (→ § 7 Rdn 56).
2. Verwalterpflichten
Rz. 4
Wie alle Verwaltungsangelegenheiten obliegt gem. § 18 Abs. 1 WEG auch die Einberufung (synonym: Einladung) der Gemeinschaft. Auszuführen hat diese Aufgabe (wiederum gilt: wie alle Verwaltungsangelegenheiten) der Verwalter. Die gesetzliche Regelung in § 24 Abs. 1 WEG, wonach die Versammlung vom Verwalter einberufen wird, entspricht insofern nicht der neuen rechtlichen Zuständigkeitsverteilung und drückt lediglich die Organzuständigkeit des Verwalters aus. Die "rechtliche" Zuständigkeit der Gemeinschaft wirkt sich praktisch dann aus, wenn der Anspruch auf Einberufung gerichtlich durchgesetzt werden soll; dann ist die Klage nämlich gegen die Gemeinschaft und nicht gegen den Verwalter zu richten (→ § 7 Rdn 13). Die Absage einer anberaumten Eigentümerversammlung kann (nur) vom jeweilig Einladenden vorgenommen werden, im Normalfall also wiederum (nur) vom Verwalter.
Rz. 5
Der Verwalter muss eine Versammlung mindestens einmal im Jahr einberufen (→ § 7 Rdn 1). Er darf die Einberufung auch nicht unter Hinweis auf die Corona-Pandemie oder wegen vergleichbarer Schwierigkeiten verweigern, sofern öffentlich-rechtliche Beschränkungen nicht entgegenstehen. Der Einberufung steht es auch nicht entgegen, wenn nach landesrechtlichen Vorschriften zum Infektionsschutz nur Geimpfte und Genesene mit negativem Corona-Test teilnehmen dürfen. Der Verwalter muss eine (außerordentliche) Versammlung ferner dann einberufen, wenn es objektiv betrachtet nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung erforderlich ist. In diesem Fall muss er bereits aus eigenem Antrieb heraus entsprechend aktiv werden, erst recht aber auf Verlangen (bzw. Anregung) seitens einzelner Wohnungseigentümer hin. Es verhält sich strukturell nicht anders als bei der Frage, welche Beschlussgegenstände anzukündigen sind (→ § 7 Rdn 47).
Rz. 6
Beispiele
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Nach dem Vorliegen eines Sachverständigengutachtens über Baumängel muss über das weitere Vorgehen (rechtliche Schritte und Sanierung) Beschluss gefasst werden, was wegen der Gefahr der Verjährung und wegen der Art der Bauschäden keinen Aufschub bis zur nächsten ordentlichen Versammlung duldet. |
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Ein Wohnungseigentümer stellt kurz nach der letzten Versammlung die Hausgeldzahlungen ein; ein Beschluss über die Verhängung einer Versorgungssperre soll gefasst werden. |
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Wegen des Vorwurfs schwerwiegender Pflichtverletzungen des Verwalters, die nicht für längere Zeit ungeklärt im Raum stehen bleiben dürfen, soll über eine etwaige vorzeitige Verwalterabberufung und eine Verwalterneuwahl Beschluss gefasst werden. |
Rz. 7
Der Verwalter muss eine Versammlung ferner dann einberufen, wenn mehr als ein Viertel der Woh...