Dr. Maximilian Kübler-Wachendorff
Rz. 58
Zuletzt kann ein rügeloses Einlassen nach Art. 9 Abs. 1 EuErbVO bei einer wirksamen Rechtswahl des Erblassers zugunsten seines Heimatstaates die Zuständigkeit dieser Gerichte begründen. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist jedoch gering. Sie setzt voraus, dass sich in einem Verfahren vor dem Gericht eines Mitgliedstaates, das seine Zuständigkeit nach Art. 7 EuErbVO ausübt, herausstellt, dass nicht sämtliche Parteien der Gerichtsstandsvereinbarung angehören. Dies bezieht sich zunächst auf eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 5 EuErbVO, die entweder unmittelbar (Art. 7 lit. b EuErbVO) oder mittelbar (Art. 6 lit. b, 7 lit. a EuErbVO) die Zuständigkeit dieses Mitgliedstaates begründen kann. Die Literatur geht zutreffend davon aus, dass diese Vorschrift entsprechend auf die Zuständigkeitsanerkennung nach Art. 7 lit. c EuErbVO anzuwenden ist. Keine Anwendung findet die Vorschrift bei der Erklärung der Unzuständigkeit auf Antrag einer Partei nach Art. 6 lit. a EuErbVO, da hier ohnehin nicht die Mitwirkung der weiteren Parteien erforderlich ist.
Rz. 59
Weitere Voraussetzung ist, dass nicht alle von dem Verfahren betroffenen Parteien an der Gerichtsstandsvereinbarung oder Zuständigkeitsanerkennung mitgewirkt haben (siehe hierzu Rdn 42 ff.). Andere Mängel einer Gerichtsstandsvereinbarung als die fehlende Beteiligung einer notwendigerweise zu beteiligenden Partei können durch ein rügeloses Einlassen nicht geheilt werden. Bei einem Formmangel der Vereinbarung kann auch das rügelose Einlassen keine Zuständigkeit begründen.
Rz. 60
Das Gericht muss ferner seine Zuständigkeit nach dem Wortlaut der Vorschrift bereits ausüben. Dies beschreibt die zeitliche Dimension, ab wann ein rügeloses Einlassen zuständigkeitsbegründend wirkt und die Entdeckung einer weiteren betroffenen Partei nicht zur Abweisung aufgrund Unzuständigkeit nach Art. 15 EuErbVO führt. Notwendig ist insoweit, dass der Mangel der Mitwirkung einer Partei nach Anrufung des Gerichts und nach der ersten Verfahrenshandlung durch das Gericht entdeckt wird.
Rz. 61
Welche Rechtsfolgen die mangelnde Beteiligung einer Partei hat, hängt nun von dem Verhalten der übergangenen Partei ab: Sie kann sich zur Sache einlassen, wodurch der Zuständigkeitsmangel geheilt wird und sie zur Partei wird. Für die autonome Auslegung des Begriffs des Einlassens kann rechtsaktübergreifend auf die zu Art. 26 Abs. 1 S. 1 Brüssel Ia-VO entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden. Ausreichend ist danach jedes Verteidigungsvorbringen, auch zu Verfahrensfrage, ohne Rüge der internationalen Zuständigkeit des Gerichts. In Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit reicht allerdings allein der Antrag, zum Verfahren hinzugezogen zu werden, für die Annahme eines rügelosen Einlassens nicht aus.
Rz. 62
Rügt die übergangene Partei hingegen die internationale Zuständigkeit, so hat sich das angerufene Gericht nach Art. 9 Abs. 2 EuErbVO für unzuständig zu erklären. Nach Art. 9 Abs. 2 S. 2 EuErbVO bestimmt sich die internationale Zuständigkeit stattdessen nach Art. 4 und 10 EuErbVO. Dies gilt selbst dann, wenn sich ein Gericht eines solchen Mitgliedstaates bereits nach Art. 6 lit. b EuErbVO aufgrund der Gerichtsstandsvereinbarung für unzuständig erklärt hat. Unbenommen bleibt es jedoch den Parteien, anschließend einen Antrag auf Erklärung der Unzuständigkeit dieser Gericht nach Art. 6 lit. a EuErbVO zu stellen. Die Unzuständigkeitserklärung begründet dann nach Art. 7 lit. a EuErbVO final die Zuständigkeit der Heimatgerichte des Erblassers, ohne dass es auf ein rügeloses Einlassen der an der dann verfahrensrechtlich überholten Gerichtsstandsvereinbarung ankommt.
Die Unzuständigkeit nach Art. 9 Abs. 2 EuErbVO lässt die Wirksamkeit bereits erlassener Maßnahmen unberührt; diese werden nicht rückwirkend unwirksam. Die nunmehr zuständigen Gerichte können diese Maßnahmen jedoch aufheben oder modifizieren.