Dr. Maximilian Kübler-Wachendorff
Rz. 47
Wird von den Parteien ein prorogiertes Gericht angerufen (Art. 14 EuErbVO), so ist dieses bei wirksamer Rechtswahl nach Art. 5 und 7 lit. b EuErbVO international zuständig. Dabei prüft dieses Gericht selbst die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung – und damit inzident die Wirksamkeit der Rechtswahl des Erblassers.
Rz. 48
Wird stattdessen ein Gericht eines nach Art. 4 oder 10 EuErbVO zuständigen Mitgliedstaates angerufen, dessen Zuständigkeit wirksam derogiert worden ist, richtet sich das Verfahren nach Art. 6 lit. b und 7 lit. a EuErbVO. Das nach Art. 4 oder 10 EuErbVO angerufene Gericht erklärt sich von Amts wegen für international unzuständig, Art. 15 EuErbVO. Ein in der Zwischenzeit angerufenes Gericht des prorogierten Forums setzt sein Verfahren dabei bis zur Entscheidung des zuerst angerufenen Gerichts aus (Art. 17 Abs. 1 EuErbVO). Diese Unzuständigkeitserklärung begründet nach Art. 7 lit. a EuErbVO verbindlich die internationale Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaates, dessen Recht der Erblasser nach Art. 22 EuErbVO gewählt hat – diese Erklärung hat damit Prorogationswirkung. Die Zuständigkeit dieser Gerichte besteht daher unabhängig von der Gerichtsstandsvereinbarung, deren Wirksamkeit nicht mehr von den Gerichten des progierten Forums geprüft werden kann. Diese Regelung soll einen ansonsten drohenden negativen internationalen Kompetenzkonflikt verhindern.
Rz. 49
Konsequenz dieser Regelung in Art. 5 bis 7 EuErbVO ist folglich, dass die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung ausschließlich von dem zuerst angerufenen Gericht geprüft wird. Dieses Gericht prüft inzident aber vollumfänglich auch die Frage der Wirksamkeit der Rechtswahl des Erblassers. Die Entscheidung des zuerst angerufenen Gerichts über die Wirksamkeit der Vereinbarung wird in den übrigen Mitgliedstaaten nach Art. 39 EuErbVO, vorbehaltlich etwaiger Anerkennungsversagungsgründe (Art. 40 EuErbVO), anerkannt und entfaltet daher Bindungswirkung.
Rz. 50
Die Entscheidung des zuerst angerufenen Gerichts bindet das später angerufene Gericht jedoch nicht nur hinsichtlich der Zuständigkeit. Um in diesen Fällen einen Gleichlauf von internationaler Zuständigkeit und anwendbarem Erbrecht zu gewährleisten, erstreckt sich die Bindungswirkung der Entscheidung auch auf die Wirksamkeit der Rechtswahl des Erblassers nach Art. 22 EuErbVO. Das später angerufene, nach Art. 7 lit. a EuErbVO zuständige Gericht kann daher nicht die kollisionsrechtliche Frage der Wirksamkeit der Rechtswahl erneut prüfen und zu einer abweichenden Entscheidung gelangen.