Rz. 11

Es gibt im SGB VIII unterschiedliche Formen der Kostenbeteiligung mit jeweils wiederum unterschiedlichen Inhalten:

pauschalierter Kostenbeitrag (§ 90 SGB VIII),
individualisierter Kostenbeitrag zu speziell aufgezählten vollstationären, teilstationären und vorläufigen Maßnahmen (§§ 9194 SGB VIII) mit Regelungen zur Ausgestaltung der Heranziehung aus Einkommen und Vermögen und mit Anspruchsüberleitung nach § 95 SGB VIII.
 

Rz. 12

Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe tragen die Kosten der in § 91 Abs. 1 und 2 SGB VIII genannten Leistungen unabhängig von der Erhebung eines Kostenbeitrags. Es besteht Vorleistungspflicht.

 

Rz. 13

Prüfung und Festsetzung eines Kostenbeitrags erfolgen in mehreren Schritten:

Im ersten Schritt muss geprüft werden, um welche kostenbeitragspflichtigen Maßnahmen es geht (§ 91 SGB VIII).[7]
Im zweiten Schritt erfolgt die Bestimmung der für eine Kostenheranziehung aus Einkommen und Vermögen in Betracht kommenden Personen, und es werden grundlegende verfahrensrechtliche Anforderungen an eine Heranziehung normiert (§ 92 SGB VIII).
Im dritten Schritt befasst sich das Gesetz mit der Ermittlung des für die Heranziehung im Einzelfall zugrunde zu legenden Einkommens (§ 93 Abs. 1 SGB VIII).
Im vierten Schritt wird bestimmt, wer in welchem Umfang aus Einkommen herangezogen werden kann (§ 94 SGB VIII). Im Verhältnis von § 93 SGB VIII zu § 94 SGB VIII ergibt sich dabei, dass nach § 93 SGB VIII zunächst das Einkommen der Höhe nach zu bestimmen ist, welches für den abschließenden Verfahrensschritt, die Festlegung des konkret festzusetzenden Kostenbeitrags, maßgeblich ist. Steht dieses Einkommen fest, erfolgt daraus nach Maßgabe des § 94 SGB VIII die Bestimmung des Umfangs der Heranziehung. Hierzu normiert § 94 SGB VIII binnensystematisch in den Absätzen 1–4 eine Reihe von Grundregeln, um sodann in Absatz 5 für den letzten Schritt, die Bestimmung der konkreten Kostenbeitragshöhe, zunächst auf die Anwendung der Kostenbeitragsverordnung zu verweisen. Hiervon trifft das Gesetz anschließend und somit auch binnensystematisch konsequent platziert in Absatz 6 eine abweichende Regelung für die leistungsbegünstigten jungen Menschen selbst, indem – anders als nach Absatz 5 i.V.m. der Kostenbeitragsverordnung – der Umfang der Heranziehung im Gesetz selbst abschließend festgelegt wird.[8]
 

Rz. 14

§ 92 Abs. 1a SGB VIII stellt für die Kosten vollstationärer Leistungen volljähriger Leistungsberechtigter nach § 19 SGB VIII eine Sonderregelung zum Vermögen auf. Es wird nicht auf die mögliche Bedarfsdeckung durch Vermögen abgestellt, sondern auf die Grundsätze der §§ 90, 91 SGB XII verwiesen. Neben dem Darlehen des § 91 SGB XII kann daher ein (bedarfsdeckender) Kostenbeitrag aus Vermögen (§ 90 SGB XII) errechnet werden.

 

Rz. 15

In einem abschließenden Schritt der Prüfung ist die Härtefallregel des § 92 Abs. 5 S. 1 SGB VIII zu prüfen. Danach soll von der Heranziehung des Leistungsempfängers ganz oder teilweise abgesehen werden, falls sonst Ziel und Zweck der gewährten Leistung gefährdet würden.

 

Rz. 16

Die Veranlagung zu einem Kostenbeitrag erfolgt durch Verwaltungsakt, der die Voraussetzungen der §§ 31 ff. SGB X erfüllen muss. Vor der Festsetzung hat eine Anhörung nach § 24 SGB X zu erfolgen. Die Heranziehung zu einem Kostenbeitrag ist rechtlich unabhängig von der Jugendhilfemaßnahme zu sehen. Die Vorschriften zur Aufhebung von Dauerverwaltungsakten sind nicht anwendbar.[9]

 

Rz. 17

Der Kostenbeitragsbescheid kann mit Widerspruch und Anfechtungsklage in der Verwaltungsgerichtsbarkeit angegriffen werden. Die Frist beträgt gem. §§ 70 Abs. 1, 74 Abs. 1 VwGO einen Monat nach Bekanntgabe.

 

Rz. 18

Fraglich ist der Rechtscharakter des Kostenbeitragsbescheids und ob Widerspruch und Klage aufschiebende Wirkung haben. Zum Teil wird in einem Kostenbescheid lediglich die Wiederherstellung des Nachranggrundsatzes und keine Abgabe gesehen, so dass die aufschiebende Wirkung durch den Widerspruch einträte.[10] Die in Literatur und Rechtsprechung eher h.M vertritt, dass es sich bei der Kostenbeitragsanforderung um öffentliche Abgaben und Kosten i.S.v. § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO handelt, so dass Widerspruch und Klage keine aufschiebende Wirkung haben.[11] Im Streitfall müsste also der Kostenbeitragsbescheid angegriffen und die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung beantragt werden.

 

Rz. 19

Kostenbeiträge verjähren nach § 195 BGB mit Dreijahresfrist. Unabhängig davon können – vergleichbar der Geltendmachung von Elternunterhalt durch das Sozialamt – die Ansprüche auch früher verwirkt sein. Nach ca. einem Jahr kann das der Fall sein, wenn zusätzliche Umstandsmomente hinzutreten. Das ist der Fall, wenn der Leistungsträger den Anspruch nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre, und der Verpflichtete sich nach den Umständen des Einzelfalls darauf einrichten durfte, dass der Anspruch nicht mehr geltend gemacht wird.

[7] Eine Übersicht über die Kostenbeteiligungspflicht aus Einkommen und Vermögen je nach Maßnahme findet ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge