Dr. iur. Matthias Quarch, Dr. Michael Pießkalla
I. Allgemeine Voraussetzungen der Entziehung
1. Die Voraussetzungen der Entziehung im Verwaltungsverfahren
Rz. 85
Die Voraussetzungen der Entziehung der Fahrerlaubnis sind in § 3 StVG geregelt. Dort ist geregelt, dass die Fahrerlaubnis durch die Fahrerlaubnisbehörde zu entziehen ist, wenn sich der Berechtigte als zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder nicht befähigt erweist. Zweck dieser Vorschrift ist der Schutz der Allgemeinheit vor Gefährdungen durch ungeeignete bzw. nicht befähigte Fahrzeugführer.
Rz. 86
Wegen der begrifflichen Trennung von Eignung und Befähigung werden sowohl die fehlende Eignung als auch die fehlende Befähigung als eigenständiger Entziehungsgrund in § 3 Abs. 1 S. 1 StVG sowie in § 46 Abs. 1 und Abs. 4 S. 1 FeV genannt.
Rz. 87
Die fehlende Eignung oder Befähigung wird festgestellt durch Ermittlungen der Fahrerlaubnisbehörde und ggf. durch Beibringung eines Gutachtens gemäß § 3 Abs. 1 S. 3 StVG i.V.m. § 46 Abs. 3 und Abs. 4 S. 2 FeV.
2. Weitergabe von Informationen an die Polizei
Rz. 88
Gemäß § 3 Abs. 5 StVG ist die Fahrerlaubnisbehörde ermächtigt, im Einzelfall die Polizei über die Entziehung der Fahrerlaubnis und das Bestehen eines Fahrverbotes zu unterrichten.
Rz. 89
Hierdurch soll erreicht und sichergestellt werden, dass die Entscheidung der Verwaltungsbehörde eingehalten wird bzw. deren Einhaltung überwacht wird.
II. Entzug der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung
Rz. 90
Die Voraussetzungen für die Entziehung der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung sind in § 48 Abs. 9 S. 1 FeV geregelt.
Rz. 91
Bei der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung sind strengere Maßstäbe anzulegen. Somit können die Fahrerlaubnis der Klasse B und die Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung ein unterschiedliches Rechtsschicksal haben.
III. Entzug der Fahrerlaubnis bei Weigerung, ein Gutachten beizubringen
Rz. 92
Weigert der Betroffene sich, ein Gutachten beizubringen, so darf die Verwaltungsbehörde hieraus gemäß §§ 11 Abs. 8, 46 Abs. 3 FeV den – widerlegbaren – Schluss auf dessen fehlende Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ziehen. Dies gilt auch bei der Weigerung, sich einer ärztlichen Untersuchung beim Gesundheitsamt zu unterziehen.
Rz. 93
Der Weigerung i.S.v. § 11 Abs. 8 S. 1 FeV, ein Gutachten beizubringen, steht es gleich, wenn die rechtmäßig angeordnete Überprüfung der Fahreignung im Rahmen einer rechtsmedizinisch-toxikologischen Untersuchung durch ein dem Betroffenen zurechenbares Kürzen des Haupthaares verhindert wird sowie es zur Klärung des Haschisch-Konsums notwendig und dem Betroffenen zumutbar war, die Haare nicht zu kürzen. Dies ist auch kein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG.
Rz. 94
Ebenso kann die Nichtvorlage eines offensichtlich erstellten MPU-Gutachtens der Weigerung, das Gutachten vorzulegen, gleichstehen. Auch in diesem Fall kann die Entziehung der Fahrerlaubnis gerechtfertigt sein, wenn die Gutachtenanforderung rechtmäßig war.
IV. Der Vorrang des Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahrens gegenüber dem Verwaltungsverfahren
1. Bei anhängigem Straf- und Bußgeldverfahren
Rz. 95
Der Vorrang des Straf- und Bußgeldverfahrens gegenüber dem verwaltungsrechtlichen Verfahren ist geregelt in § 3 Abs. 3 und 4 StVG.
Rz. 96
Während der Anhängigkeit eines Strafverfahrens, in dem die Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 69 StGB in Betracht kommt, darf die Fahrerlaubnisbehörde den Sachverhalt, der Gegenstand des Strafverfahrens ist, in dem Entziehungsverfahren gemäß § 3 Abs. 2 S. 1 StVG nicht berücksichtigen. Eine Ausnahme gilt für Dienstfahrerlaubnisse gemäß § 3 Abs. 2 S. 2 StVG.
Rz. 97
Andererseits hindert die Anhängigkeit eines Bußgeldverfahrens gegen den Inhaber einer Fahrerlaubnis die Fahrerlaubnisbehörde nicht, den Gegenstand des Bußgeldverfahrens im Verwaltungsverfahren zu berücksichtigen. Dies folgt daraus, dass im Ordnungswidrigkeitenverfahren keine Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis zu treffen ist. Eine analoge Anwendung des § 3 Abs. 2 S. 1 StVG auf das Bußgeldverfahren wird daher von der ganz h.M. abgelehnt.
2. Bedeutung der Entscheidungen im Straf- und OWi-Verfahren
Rz. 98
Die Möglichkeit, Strafentscheidungen im Entziehungsverfahren der Verwaltungsbehörde zu berücksichtigen, richtet sich nach § 3 Abs. 4 S. 1 und S. 2 Hs. 1 StVG. Hiernach darf die Verwaltungsbehörde in dem Entziehungsverfahren von einem Sachverhalt, der Gegenstand einer strafgerichtlichen Entscheidung gegen den Inhaber einer Fahrerlaubnis gewesen ist, zum Nachteil des Inhabers der Fahrerlaubnis in bestimmten Punkten nicht abweichen. Dies gilt für den Inhalt eines Urteils, eines Strafbefehls oder eines Beschlusses, durch den die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt wurde.
Rz. 99
Aus der vorstehend aufgeführten Regelung folgt, dass die Fahrerlaubnisbehörde weder berechtigt noch verpflichtet ist, in eine erneute Prüfung ...