Rz. 439
Falls der Geschädigte das Fahrzeug, was durchaus bei größeren Reparaturen und bei neuwertigeren Fahrzeugen häufig vorkommt, nicht reparieren lässt, sondern verkauft bzw. in Zahlung gibt, kann der Geschädigte gleichwohl auf eine vorgenommene Ersatzbeschaffung die Mehrwertsteuer vom Schädiger ersetzt verlangen. Dieser Erstattungsbetrag ist aber – wenn der Preis für das neu angeschaffte Fahrzeug den unfallbedingten Reparaturbetrag übersteigt – auf die Mehrwertsteuer für den unfallbedingten Reparaturbetrag begrenzt, wie der BGH inzwischen ausdrücklich bestätigt hat (BGH v. 5.2.2013 – VI ZR 363/11 – zfs 2013, 383). Dies folgt daraus, dass durch das Schadensereignis nur Ersatz der zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes angefallenen Umsatzsteuer geschuldet wird, so dass die Ersatzpflicht stets auf den Betrag begrenzt ist, der bei dem wirtschaftlich günstigsten Weg angefallen wäre (Schiemann/Haug, VersR 2006, 160, 165 f.; Bollweg, Sonderheft zfs, 2002, 4).
Rz. 440
Mehrwertsteuer bei einer Ersatzbeschaffung wird aber nur ersetzt, wenn und soweit diese anfällt. Dazu folgende Fälle:
a) Erwerb eines Neufahrzeugs beim Händler
Rz. 441
Der Geschädigte kann dann bis zur Höhe der geschätzten Reparaturkosten die Mehrwertsteuer ersetzt verlangen; der Anspruch auf Erstattung der tatsächlich gezahlten Mehrwertsteuer ist also auf die Höhe der Mehrwertsteuer begrenzt, die bei Durchführung der Reparatur angefallen wäre (BGH v. 5.2.2013 – VI ZR 363/11 – zfs 2013, 383).
Reparaturkosten laut Gutachten, brutto |
5.950 EUR |
Kaufpreis Neuwagen, brutto |
30.000 EUR |
Im Kaufpreis enthaltene Mehrwertsteuer |
|
30.000 EUR / 1,19 × 0,19 |
4.790 EUR |
bereits gezahlt, netto |
5.000 EUR |
noch zu ersetzender Betrag (in kalkulierter Reparatur enthaltene MwSt.) |
|
5.950 EUR / 1,19 × 0,19 |
950 EUR |
Gesamterstattung |
5.950 EUR |
Rz. 442
In diesem Fall ist somit der Schaden laut Gutachten brutto zu ersetzen, da bei der Ersatzbeschaffung Mehrwertsteuer mindestens in Höhe des im Gutachten enthaltenen Betrages tatsächlich angefallen ist (bestätigend BGH v. 5.2.2013 – VI ZR 363/11 – zfs 2013, 383; ebenso AG Aschaffenburg zfs 2011, 563 m. zust. Anm. Diehl, zfs 2011, 564 f.; ebenso LG Arnsberg NZV 2011, 310 = NJW 2011, 158; Seibel, VersR 2010, 736; a.A. LG Paderborn SP 2008, 442). Da auch die Ersatzbeschaffung eine Form der Naturalrestitution i.S.d. § 249 BGB ist, unterfällt diese auch der gesetzlichen Neuregelung, nach der Mehrwertsteuer nur erstattet wird, wenn und soweit sie auch gezahlt wird.
b) Erwerb eines Gebrauchtfahrzeugs vom Händler
Rz. 443
Hatte der Händler das Gebrauchtfahrzeug von einem Vorsteuerabzugsberechtigten erworben, ändert sich nichts; der Geschädigte kann bis zur Höhe der in der Reparaturkostenkalkulation enthaltenen Mehrwertsteuer diese ersetzt verlangen (vgl. BGH v. 5.2.2013 – VI ZR 363/11 – zfs 2013, 383).
Rz. 444
Hatte der Händler das Gebrauchtfahrzeug aber aus Privathand erworben, ergibt sich das Problem der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG. Wenn ein Händler z.B. ein Gebrauchtfahrzeug
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aus privater Hand für 7.000 EUR einkauft und |
▪ |
für 10.000 EUR an den Geschädigten weiterverkauft, hat er |
▪ |
nur aus dem Differenzbetrag von 3.000 EUR Mehrwertsteuer abzuführen. |
Der Geschädigte zahlt also beim Erwerb dieses Fahrzeugs
▪ |
nur 3.000 EUR / 1,19 × 0,19 = 479 EUR Mehrwertsteuer. |
Nur diesen Mehrwertsteuerbetrag kann der Geschädigte ersetzt verlangen; so steht es auch in der amtlichen Gesetzesbegründung (vgl. BGH v. 5.2.2013 – VI ZR 363/11 – zfs 2013, 383).
Beispiel
Reparaturkosten laut Gutachten, brutto |
5.950 EUR |
Verkaufspreis Händler Ersatzwagen |
10.000 EUR |
Einkaufspreis Händler Ersatzwagen |
7.000 EUR |
Differenz Einkaufspreis/Verkaufspreis |
3.000 EUR |
In der Differenz enthaltene MwSt. gem. § 25a UStG |
|
3.000 EUR / 1,19 × 0,19 |
479 EUR |
Abrechnung auf Gutachtenbasis, netto |
5.000 EUR |
zzgl. Mehrwertsteuer aus Differenz |
479 EUR |
Gesamterstattung |
5.479 EUR |
Hier ist tatsächlich nur Mehrwertsteuer in Höhe von 479 EUR angefallen, mithin ist auch nur diese zu ersetzen, nicht die im Gutachten kalkulierte.
c) Erwerb eines Ersatzfahrzeugs aus privater Hand
Rz. 445
Rechnet der Geschädigte auf der Basis der im Sachverständigengutachten ausgewiesenen Reparaturkosten ab und kauft er gleichzeitig von privat ein Ersatzfahrzeug, kann er keinen Ersatz von Mehrwertsteuer beanspruchen (BGH v. 5.2.2013 – VI ZR 363/11 – zfs 2013, 383). Beim Kauf eines Ersatzfahrzeuges von privat fällt nämlich – unstreitig – keine Mehrwertsteuer an.
Beispiel
Reparaturkosten laut Gutachten, brutto |
5.950 EUR |
Kaufpreis Ersatzwagen aus privater Hand |
10.000 EUR |
Gesamterstattung, netto |
5.000 EUR |
Die in den Reparaturkosten enthaltene Mehrwertsteuer in Höhe von immerhin 950 EUR ist nicht zu ersetzen, da bei der Ersatzbeschaffung durch den Geschädigten keine Mehrwertsteuer angefallen ist.
Rz. 446
Dies hat auch bei dieser Fallkonstellation (an sich Reparaturfall) zur Folge, dass beim Erwerb identischer Fahrzeuge, die zum gleichen Endpreis erworben werden, die Erstattung aufgrund der nicht ausweisbaren Mehrwertsteuer bei Erwerb von privater Hand geringer ausfällt (vgl. oben Rdn 445). Nach der vom BGH vertretenen Systematik ist dieses E...