Rz. 276
Wenn der Geschädigte tatsächlich über das Internet einen Erlös erzielt hat, der den vom Sachverständigen geschätzten Restwert ganz erheblich übersteigt, stellt sich die Frage der Berücksichtigung. Es gilt zwar der Grundsatz, dass ein überdurchschnittlicher Erlös, den der Geschädigte für seinen Unfallwagen aus Gründen erzielt, der mit dem Zustand seines Fahrzeuges nichts zu tun hat, dem Schädiger nicht gutzubringen ist (BGH NJW 1992, 903). Auch ist der Geschädigte nach der Rechtsprechung des BGH nicht verpflichtet, einen Sondermarkt für Restwertaufkäufer im Internet in Anspruch zu nehmen (BGH DAR 2000, 159; BGH zfs 2005, 184 ff.). Nimmt er jedoch einen solchen Sondermarkt tatsächlich in Anspruch und erzielt er dabei ohne besondere Anstrengungen einen höheren Erlös, so muss er sich den bei der Ermittlung des Schadens anrechnen lassen (BGH zfs 2005, 184 m. Anm. Diehl = DAR 2005, 152 ff.).
Rz. 277
Da der Schädiger und sein Haftpflichtversicherer aber die Darlegungs- und Beweislast dafür tragen, dass ein höheres Restwerterlös erzielt wurde und zudem, dass dieser ohne überobligationsmäßigen Aufwand erzielt worden ist (BGH NJW 1992, 903; VersR 2000, 137 = zfs 2000, 103), befindet sich der Haftpflichtversicherer bei einem "mauernden" Geschädigten, der keine Auskunft über seine Anstrengungen zur Veräußerung und zu dem erzielten Preis gibt, in einer Beweisnot (Diehl, Anmerkung zu BGH, zfs 2005, 186).
Rz. 278
Eine Erklärungspflicht des Geschädigten dürfte daher unter dem Blickwinkel der sekundären Behauptungslast anzunehmen sein. Ein einfaches Bestreiten des von dem Haftpflichtversicherer des Schädigers behaupteten Umfanges der Absatzaktivitäten und des behaupteten erzielten Preises des Schrottfahrzeuges genügt nicht. Der besser informierte Geschädigte muss detaillierte Gegenangaben hinsichtlich seiner Anstrengungen zur Verwertung des Restwertes und zum erzielten Preis machen (BGH NJW 1990, 3151 ff.; BGH NJW 1987, 2008). Kommt er dem nicht nach, gilt das Vorbringen des Haftpflichtversicherers zu den Aktivitäten des Geschädigten bei Absatz des Restwertes und zum erzielten Preis als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO; Diehl, Anmerkung zu BGH, zfs 2005, 186).
Rz. 279
Ferner gilt etwas anderes, wenn der Geschädigte über verschiedene Zeitungsanzeigen Kontakt zu ausländischen Restwertaufkäufern (z.B. Holländern) aufnimmt, sich mit denen wiederholt trifft und das Fahrzeug besichtigen lässt, längeres Feilschen um den Kaufpreis stattfindet oder wenn der höhere Restwert nur deshalb realisiert werden kann, weil der Geschädigte einen Neuwagen kauft und der Händler ihm allein deshalb ein besseres Restwertangebot unterbreitet. Besonderes kaufmännisches Geschick des Geschädigten kommt demnach nicht dem Schädiger zugute (OLG Düsseldorf zfs 1993, 338).
Rz. 280
Andererseits kann auch die Auffassung vertreten werden, dass schon wenige Telefonate und sogar der bloße Verkauf der Restwerte an eine andere Firma als den Abschleppunternehmer sehr wohl als überobligationsmäßig angesehen werden darf. Läge darin nämlich keine überobligationsmäßige Anstrengung des Geschädigten, würde man zu der Annahme gelangen, dass der Geschädigte sich trotz der Angaben in dem Sachverständigengutachten um die Verwertung seines total beschädigten Fahrzeuges zu einem gegenüber dem Ansatz des Sachverständigen höheren Preis selbst kümmern müsste.
Rz. 281
Das aber würde zu einer Überspannung der Verpflichtung zur Schadensminderung führen. Außerdem würde die Regulierungspraxis mit einer solchen immer wieder auftretenden Streitfrage erheblich belastet, was der BGH in seiner Restwertentscheidung gerade verhindern wollte (so Diehl, Anmerkung zu LG Mainz, zfs 1999, 239).
Rz. 282
Oft verweigern die Versicherer die Zahlung der Differenz zwischen deren Restwertangebot und dem von dem Sachverständigen ermittelten Restwert, hin und wieder auch die Zahlung von anderen Positionen, wie z.B. Nutzungsausfall, solange der Vertrag über den Verkauf nicht vorgelegt wird. Sie wollen damit das Argument an die Hand bekommen, jedenfalls auf der Basis des tatsächlich erzielten Restwertes abzurechnen. Das ist jedenfalls dann unzulässig, wenn das Restwertangebot des Versicherers den Geschädigten bzw. seinen Anwalt nach dem Verkauf der Restwerte erreicht. Denn dann durfte sich der Geschädigte auf die Richtigkeit seines Gutachtens verlassen und braucht über die Restwertrealisierung keinerlei Rechenschaft abzulegen.
Tipp
Die Vorlage des Kaufvertrages mit einem gegenüber der Schätzung des Sachverständigen höheren Erlös löst regelmäßig eine endlose außergerichtliche Diskussion mit dem gegnerischen Versicherer darüber aus, ob der erzielte Kaufpreis das Ergebnis überobligationsmäßiger Bemühungen war oder dem Geschädigten quasi "in den Schoß gefallen" ist. Selbst wenn der Vertrag dann vorgelegt und die überobligationsmäßigen Anstrengungen dokumentiert sind, ändert das an der Weigerung, die Differenz zu zahlen, meistens nichts und der Prozess um diese Frage ist unverändert fällig. Der Kaufvertrag sollte a...