Rz. 287
Streitig ist in der Regulierung häufig, welcher Restwert bei der Abrechnung eines wirtschaftlichen Totalschadens auf Wiederbeschaffungsbasis zugrunde zu legen ist, wenn der Geschädigte das beschädigte Fahrzeug nicht verkauft, sondern (repariert, teilrepariert oder unrepariert) weiternutzt. Dieses Problem stellt sich regelmäßig dann, wenn der Versicherer ein gegenüber der Restwertschätzung des Sachverständigen höheres konkretes Restwertangebot vorgelegt hat. Dieses kommt in diesen Fällen nicht zu spät, weil das Fahrzeug ja noch nicht verkauft wurde, sodass es – wie dargestellt – grundsätzlich zu berücksichtigen wäre. Andererseits nützt es dem Geschädigten, welcher sein Fahrzeug nicht verkaufen möchte, nichts. Bei dieser Konstellation legen die Versicherer regelmäßig den Wert des höheren Restwertangebotes zugrunde.
Rz. 288
Der BGH hat glücklicherweise mit zwei Entscheidungen geklärt, welcher Restwert bei einer Weiternutzung des Fahrzeugs trotz wirtschaftlichen Totalschadens maßgeblich ist. In diesem Fall ist bei der Abrechnung lediglich der in einem Sachverständigengutachten für den regionalen Markt ermittelte Restwert in Abzug zu bringen (Fall mit einem über der 130-%-Grenze liegenden Reparaturaufwand: BGH v. 6.3.2007 – VI ZR 120/06 – VersR 2007, 1145 = zfs 2007, 382 = r+s 2007, 259 = NZV 2007, 291 = NJW 2007, 1674 = DAR 2007, 325 m. Anm. Poppe; 130-%-Fall mit erfolgter Teilreparatur: BGH v. 10.7.07 – VI ZR 217/06 – VersR 2007, 1243 = zfs 2007, 631 = r+s 2007, 434 = NZV 2007, 565 = DAR 2007, 634 = NJW 2007, 2918).
Rz. 289
Demgegenüber sind weder Angebote des Sondermarktes für Restwertaufkäufer im Internet noch konkrete Restwertangebote des Versicherers maßgeblich, da der Geschädigte diese wegen der Weiternutzung gerade nicht realisieren kann. Vielmehr bleibt der Geschädigte auch in diesem Fall Herr des Restitutionsgeschehens, was bedeutet, dass er nicht vom Versicherer über ein höheres Restwertangebot zum Verkauf seines Fahrzeugs gezwungen werden kann (BGH a.a.O.).
Rz. 290
Die Entscheidungen des BGH sind als sachgerecht zu begrüßen, denn im Falle eines erst irgendwann später erfolgenden Weiterverkaufs stehen dem Geschädigten die höheren Restwertangebote des Sondermarktes gerade nicht mehr zur Verfügung. Die dem Geschädigten durch den Unfall hinsichtlich seines Fahrzeugs eingetretene Vermögenseinbuße wird daher allein unter Zugrundelegung des Restwerts auf dem allgemein zugänglichen regionalen Markt zutreffend ermittelt, der dem Geschädigten bei einem späteren Verkauf ohne überobligationsmäßige Anstrengungen lediglich zur Verfügung steht (Schneider, in: Berz/Burmann, Kap. 5 B Rn 82).
Rz. 291
Tipp
Bereits wegen des stets denkbaren Falls der Weiternutzung des Fahrzeugs durch den Geschädigten trotz wirtschaftlichen Totalschadens sollte kein Sachverständiger beauftragt werden, der im Rahmen der Restwertermittlung auch konkrete Restwertangebote über das Internet einholt. Denn in diesem Fall hat der Geschädigte keine Möglichkeit, der (fiktiven) Berechnung des Wiederbeschaffungsaufwandes den nach der BGH-Rechtsprechung allein maßgeblichen (und regelmäßig niedrigeren) auf dem allgemeinen regionalen Markt erzielbaren Restwert zugrunde zu legen. Es ist daher stets darauf zu achten, dass der Sachverständige allein diesen Restwert ohne Berücksichtigung spezieller Restwertbörsen ermittelt.