Rz. 193

Trotz ordnungsgemäß durchgeführter Reparatur bzw. der Verwendung von Neuteilen (AG Chemnitz zfs 2004, 262) kann dem Fahrzeug der Makel eines "Unfallfahrzeugs" verbleiben, der sich im Falle des Weiterverkaufes realisieren könnte (BGH zfs 2005, 127, 129). Der Ersatz des merkantilen Minderwertes soll dem Geschädigten die auch bei Weiterbenutzung des ordnungsgemäß reparierten Fahrzeugs verbleibende Wertdifferenz ausgleichen (BGH NJW 1961, 2253).

 

Rz. 194

Der Ersatz der Wertminderung ist seit dem Urteil des BGH NJW 1961, 2253 als Herstellungsaufwand i.S.d. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB anerkannt. Der Eigentümer eines Fahrzeuges ist daher so zu stellen, als wenn er sich noch im Besitze der unbeschädigten Sache befände.

 

Rz. 195

Für die Bemessung des merkantilen Minderwertes ist der Zeitpunkt der beendeten Instandsetzung maßgebend (BGH NJW 1967, 552). Von diesem Zeitpunkt an ist die Wertminderung auch abstrakt nach § 849 BGB zu verzinsen, falls bis zu diesem Zeitpunkt eine Nutzungsausfallentschädigung geltend gemacht wird (BGH VersR 1983, 555), anderenfalls bereits ab dem Unfalltag.

 

Rz. 196

Merkantiler Minderwert und entgangener Gewinn wegen unfallbedingter Vereitelung eines Verkaufs des beschädigten Kfz können nebeneinander geltend gemacht werden (OLG Saarbrücken NZV 1992, 317).

 

Rz. 197

Der merkantile Minderwert erlangt aufgrund immer teurer werdender Fahrzeuge zunehmend an Bedeutung. Seine Beurteilung ist jedoch aufgrund des fiktiven Charakters stets problematisch und führt häufig zu Streitereien mit dem gegnerischen Versicherer.

 

Rz. 198

Im Kaskoschadensfall ist die Wertminderung bedingungsgemäß nicht erstattungspflichtig (vgl. § 13 Abs. 6 AKB bzw. A.2.13.1 AKB 2008, siehe dazu § 13 Rdn 246). Allerdings ist die unfallbedingte Wertminderung dem Bereich der der Kaskoversicherung zugeordneten unmittelbaren (= "kongruenten") Sachschäden zuzurechnen, was sie zu einer der "quotenbevorrechtigten Schadensersatzpositionen" gem. § 86 Abs. 1 S. 2 VVG macht (vgl. § 6 Rdn 14).

 

Rz. 199

Arbeitnehmer können die mit ihrem Pkw auf betrieblich veranlasster Fahrt erlittene Wertminderung nicht als Werbungskosten i.S.d. EStG geltend machen, wenn das Fahrzeug tatsächlich repariert worden ist (BFH NJW 1994, 2976).

 

Rz. 200

Auch dem Eigentümer eines Behördenfahrzeuges, z.B. eines Polizeifahrzeuges, entsteht eine zu ersetzende Wertminderung, wenn das Fahrzeug nach der vorgesehenen Nutzungsdauer verkauft oder versteigert wird (LG Dessau DAR 2002, 72).

 

Rz. 201

Im Prozess unterliegt der Anspruch auf Wertminderung gem. § 287 ZPO der freien Schätzung durch das Gericht. Insoweit ist es – ähnlich wie beim Schmerzensgeld – möglich, die Höhe der Wertminderung in das Ermessen des Gerichtes zu stellen und somit einen unbezifferten Klageantrag zu stellen (BGH zfs 1982, 78).

 

Rz. 202

Eine allgemein anerkannte Methode zur Berechnung des merkantilen Minderwerts gibt es nicht.

aa) Methode Ruhkopf/Sahm

 

Rz. 203

Die überwiegend herrschende Rechtsprechung (BGH NJW 1980, 281, 282 – Grundsatzentscheidung; OLG Karlsruhe VersR 1983, 1065; OLG Köln zfs 1984, 101; LG Hagen zfs 1984, 326; LG Münster DAR 1984, 222; OLG Hamm zfs 1986, 324; DAR 1987, 83; LG Hanau zfs 1991, 233; LG Braunschweig DAR 1994, 202) greift insoweit auf die Berechnungsmethode von Ruhkopf/Sahm (VersR 1962, 593) zurück. Sie wird als "verlässliche Grundlage zur Ermittlung der merkantilen Wertminderung bei Pkw" angesehen (BGH a.a.O.).

 

Rz. 204

Hiernach ist der Minderwert = x % der Summe von Wiederbeschaffungswert und Reparaturkosten. Obwohl in dem Text der Ausführungen von Ruhkopf/Sahm von "Zeitwert" die Rede ist, ist dieser Begriff als "Wiederbeschaffungswert" zu interpretieren (LG Köln NZV 2001, 175; Palandt-Grüneberg, § 251 Rn 17). Das hat seine Ursache darin, dass es im Jahre 1962, als die Tabelle veröffentlicht wurde, noch nicht üblich war, vom "Wiederbeschaffungswert" zu sprechen. Es wurde damals nur vom "Zeitwert" gesprochen.

 

Rz. 205

Dabei ergibt sich der mit "x" bezeichnete Wert entsprechend folgender Tabelle aus dem Verhältnis vorgenannter Werte unter Berücksichtigung des Zulassungsjahres (Palandt-Grüneberg, § 251 Rn 17):

 
Zulassungsjahr Verhältnis der Reparaturkosten zum Wiederbeschaffungswert
  10–30 % 30–60 % 60–90 %
1. 5 % 6 % 7 %
2. 4 % 5 % 6 %
3. und 4. 3 % 4 % 5 %
 

Rz. 206

 

Beispiel

Reparaturkosten: 5.000 EUR

Wiederbeschaffungswert: 10.000 EUR

Unfall erfolgt im zweiten Zulassungsjahr

Berechnung: Reparaturkosten = 50 % vom Wiederbeschaffungswert, Reparaturkosten 5.000 EUR + Wiederbeschaffungswert 10.000 EUR = 15.000 EUR, Minderwert = 5 % von 15.000 EUR = 750 EUR.

 

Rz. 207

Nach der Tabelle Ruhkopf/Sahm ist ein Anspruch auf Wertminderung nicht vorgesehen, wenn der Pkw älter als vier Jahre ist oder mehr als 100.000 km gelaufen hat.

 

Rz. 208

Außerdem ist eine Wertminderung nicht gegeben, wenn die Bagatellschadensgrenze von 10 % nicht erreicht ist. Diese Grenze ist willkürlich gewählt und führt daher in Einzelfällen zu widersinnigen Ergebnissen, die technisch und juristisch nicht zu begründen sind (Ladenburger, Merkantile Wertminderung – is...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge