Rz. 110
Seitens der Versicherer und einiger Gerichte (z.B. OLG Köln zfs 1988, 171) wird nun oft die – unzutreffende – Rechtsauffassung geäußert, der Geschädigte könne jedenfalls dann nicht fiktiv abrechnen, wenn er tatsächlich habe reparieren lassen und demnach eine Reparaturrechnung vorlegen könnte. Er sei dann auch verpflichtet, die Reparaturrechnung vorzulegen (so OLG Hamm NZV 2017, 582).
Rz. 111
Meistens verweigern übrigens die Versicherer bei Nichtvorlage der Rechnungen nicht etwa die Bezahlung der Reparaturkosten, sondern den Ausgleich des Nutzungsausfalls oder der Mietwagenkosten, den sie von der Rechnungsvorlage abhängig machen. Was hat aber die Vorlage der Reparaturrechnung mit dem Ausgleich des Nutzungsausfalls oder der Mietwagenkosten zu tun, wenn die tatsächliche Reparatur auf anderem Wege (z.B. aufgrund einer Nachbesichtigung des Sachverständigen) nachgewiesen wird?
Rz. 112
Gelegentlich wird auch die Auffassung vertreten, es bestehe – wenn die Reparaturkosten bereits gemäß Gutachten ausgeglichen sind – hinsichtlich dieser Positionen ein Leistungsverweigerungsrecht, das auf der Grundlage von Treu und Glauben basiere, bis die Rechnung vorgelegt werde. Begründet wird diese Auffassung damit, dass sich aus der tatsächlichen Reparatur ergeben könne, dass diese mit weitaus geringeren Mitteln bei gleich gutem Resultat auszuführen war und – wie man sieht – auch vollständig und fachgerecht ausgeführt wurde (AG München v. 21.1.2004 – 345 C 25508/03). Andernfalls würde sich der Geschädigte am Schaden bereichern.
Rz. 113
Diese Auffassung ist aber falsch. Die Beurteilung der Frage, mit welchen Mitteln und welchem Aufwand die Reparatur unter objektiven Maßstäben auszuführen ist, bestimmt nach der Rechtsprechung des BGH ausschließlich der unabhängige Sachverständige. Selbst wenn es also dem Geschädigten tatsächlich möglich war, eine qualitativ gleichwertige Reparatur mit geringeren Mitteln herzustellen, ist dieser Umstand schadensrechtlich unbeachtlich. Überobligationsmäßige Anstrengungen oder Einsparungen des Geschädigten, wie auch der Umstand, sich mit einer günstigeren Reparaturform (z.B. Verwendung von Gebrauchtteilen, Karosseriewerkstatt statt Markenfachwerkstatt) zu begnügen, kommen allein ihm und nicht dem Schädiger zugute.
Rz. 114
Allein dann, wenn der Geschädigte den Schaden vollständig sach- und fachgerecht in dem Umfang repariert, den der eingeschaltete Sachverständige für notwendig gehalten hat, und dabei geringere als die vom Sachverständigen kalkulierte Reparaturkosten entstanden sind, soll der Schadensersatz auf die tatsächlich angefallenen Bruttokosten beschränkt sein (BGH v. 3.12.2013 – VI ZR 24/13 – VersR 2014, 214 = zfs 2014, 142; ebenso OLG Hamm NZV 2017, 582). Der BGH begründet dies mit seiner Rechtsprechung zur Verweisung auf eine günstigere Fachwerkstatt und argumentiert, wenn es noch nicht einmal einer Verweisung bedurft hätte, sondern der Geschädigte selbst eine solche Möglichkeit ermittelt und sogar wahrgenommen hätte, könnten wegen des Bereicherungsverbots auch nur die tatsächlichen Kosten ersetzt werden. Daher ist Vorsicht geboten, wenn fiktiv nach Gutachten abgerechnet und dann unter Vorlage der Reparaturrechnung zusätzlich die konkret entstandene Umsatzsteuer geltend gemacht wird (dies war die Konstellation der genannten BGH-Entscheidung). OLG Hamm NZV 2017, 582 geht sogar von einer Vorlagepflicht hinsichtlich der Reparaturrechnung aus. Lässt sich der geringere Betrag hingegen mit einer vom Umfang oder von der Qualität minderwertigeren als der im Gutachten kalkulierten Reparatur begründen, stellt sich das Problem nicht.
Rz. 115
Tipp
Es ist daher eindeutig falsch, wenn der Versicherer einen Reparaturnachweis verlangt und so lange entweder den Fahrzeugschaden oder die Mietwagenkosten bzw. den Nutzungsausfall nicht ersetzen will. Das steht im klaren Widerspruch zur gesamten Rechtsprechung des BGH zum normativen Schaden und fordert zur klageweisen Klärung geradezu heraus. Darüber hinaus kann die tatsächliche Entstehung des Nutzungsausfalls z.B. im Wege einer Nachbesichtigung durch den Sachverständigen und die Dauer des Nutzungsausfalls im Rechtsstreit jederzeit durch Zeugen bzw. Vernehmung des Geschädigten als Beweisführer gem. § 287 Abs. 1 S. 3 ZPO nachgewiesen werden.
Rz. 116
Der Geschädigte ist nämlich – jedenfalls außergerichtlich! – gerade nicht verpflichtet, die Reparaturrechnung vorzulegen (BGH NJW 1989, 3009 ff.; Steffen, zfs 1995, 401; Gebhardt, zfs 1990, 146), und zwar auch dann nicht, wenn er nur eine Teil-, Billig- oder Eigenreparatur durchführen lässt (OLG Hamm zfs 1997, 371). Deutlich sagt dies das LG Aachen (NZV 1993, 274):
Rz. 117
Zitat
"Den Geschädigten trifft weder eine materiell-rechtliche noch eine prozessuale Pflicht, die ihm von der Fachwerkstatt erteilte Rechnung vorzulegen. Eine derartige Verpflichtung obliegt ihm auch nicht gegenüber der gegnerischen Haftpflichtversicherung aus § 3 Nr. 7 S. 2 PflVG i.V.m. § 158d Abs. 3 VVG [jeweils a.F., inzwischen § 119 Abs. 3 S. 2 VVG...