Rz. 122

Andererseits soll der Geschädigte am Schaden aber auch nicht "verdienen". Das ist nach der nunmehr gesicherten Rechtsprechung des BGH zur fiktiven Schadensberechnung allerdings nur noch denkbar, wenn das Sachverständigengutachten objektiv ganz oder in Teilen fehlerhaft ist.

 

Rz. 123

Demzufolge ist es dem Schädiger auch nach der vorerwähnten Rechtsprechung des BGH unbenommen, "durch substanziierte Einwände die Annahme des Sachverständigen in Einzelpunkten in Zweifel zu ziehen" (BGH zfs 1989, 299; OLG Hamm zfs 1999, 16).

 

Rz. 124

Hat der Versicherer außerdem begründete Zweifel an der Richtigkeit des Sachverständigengutachtens, die er aufgrund eines von ihm in Auftrag gegebenen Gegengutachtens zu substanziieren vermag, kann es zum Nachweis der Erforderlichkeit der Reparaturkostenhöhe empfehlenswert sein, eine ggf. vorhandene Reparaturrechnung tatsächlich vorzulegen.

 

Rz. 125

In einem Rechtsstreit kann es passieren, dass das Gericht den vom BGH aufgestellten Grundsatz, wonach das Prognoserisiko grundsätzlich der Schädiger trägt, bei der fiktiven Abrechnung ausnahmsweise durchbricht. Das kann z.B. dann der Fall sein, wenn der Geschädigte das Fahrzeug selbst, billig oder "schwarz" repariert hat, das von ihm vorgelegte Sachverständigengutachten gerichtlich – z.B. durch ein Obergutachten – überprüft wird und sich dabei zur Überzeugung des Gerichts herausstellt, dass der zur Beseitigung erforderliche Herstellungsaufwand doch geringer ausfällt, als von dem Erstgutachter angenommen wurde. In diesem Fall muss der Geschädigte eine entsprechende Kürzung der "fiktiven" Reparaturkosten selbst dann hinnehmen, wenn die Reparatur als solche fachgerecht ausgeführt worden ist (OLG Hamm NZV 1999, 297).

 

Rz. 126

Nach einer neueren Entscheidung des BGH (BGH v. 3.12.2013 – VI ZR 24/13 – VersR 2014, 214 = zfs 2014, 142) soll allerdings dann, wenn der Geschädigte den Schaden vollständig sach- und fachgerecht in dem Umfang repariert, den der eingeschaltete Sachverständige für notwendig gehalten hat, und dabei geringere als die vom Sachverständigen kalkulierte Reparaturkosten entstanden sind, der Schadensersatz auf die tatsächlich angefallenen Bruttokosten beschränkt sein (vgl. dazu oben Rdn 114).

 

Rz. 127

Die Gefahr liegt also wieder einmal in der Unberechenbarkeit eines Prozesses. Obwohl sich der Geschädigte nach der Rechtsprechung des BGH grundsätzlich auf die Richtigkeit eines Sachverständigengutachtens verlassen darf und sich gerade nicht darauf verweisen lassen muss, dass die Reparatur auf einem anderen Reparaturweg tatsächlich qualitativ gleichwertig, aber günstiger auszuführen war (vgl. unten Rdn 146 ff.), kann er einen Prozess verlieren, wenn das Gericht ein anderweitiges Gutachten einholt und diesem den Vorzug gibt. Vor einer solchen Durchbrechung des Vertrauensgrundsatzes gibt es leider keinen Schutz.

 

Rz. 128

Im Übrigen kann bei divergierenden Sachverständigengutachten nur ein Obergutachten die notwendige Klarheit schaffen.

 

Rz. 129

 

Tipp

Die fiktive Abrechnung ist insbesondere dann zu empfehlen, wenn eine Mithaftung beim Mandanten in Frage kommt. Dann sollte auf der Basis eines Sachverständigengutachtens abgerechnet werden. Dem Mandanten bleibt es dann überlassen, die Reparatur z.B. in einer "Billigwerkstatt", in Eigenreparatur oder mit Hilfe anderer so günstig wie möglich durchzuführen, sodass der durch die Mithaftungsquote verursachte wirtschaftliche Verlust aufgefangen wird.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?