Rz. 348
Das Integritätsinteresse ist nur dann schutzwürdig, wenn der Geschädigte – sei es in Eigenregie oder in einer Fachwerkstatt – das Fahrzeug entsprechend der Kalkulation des Sachverständigen in einen dem früheren Zustand vor dem Unfall qualitativ und quantitativ gleichwertigen Zustand versetzt hat. Auch wenn der Geschädigte sein Fahrzeug tatsächlich repariert hat, ist ihm nach der Rechtsprechung die Schadensberechnung auf Reparaturkostenbasis innerhalb des Toleranzrahmens von 130 % daher versagt, wenn eine Not-,Teil- oder Billigreparatur durchgeführt worden ist, d.h. lediglich die Fahrbereitschaft, nicht aber der frühere Zustand wiederhergestellt wurde (BGH VersR 1992, 61; VersR 2003, 918; VersR 2005, 663; NZV 2015, 591 = DAR 2015, 634; OLG Hamm zfs 1993, 10 f. = NZV 1993, 432 f. = DAR 1994, 24; OLG Düsseldorf NZV 1994, 479 f.; OLG Düsseldorf SP 1997, 194).
Rz. 349
Allerdings schadet es nicht, wenn die Ersatzteilkosten tatsächlich niedriger ausgefallen sind, als der Sachverständige vorgegeben hat (vgl. BGH v. 14.12.2010 – VI ZR 231/09 – VersR 2011, 282 = zfs 2011, 144; siehe auch Rdn 344). Dann muss es sich keineswegs um eine unzulässige Billigreparatur handeln. Das gilt jedenfalls dann, wenn die tatsächlich ausgeführte Reparatur zu 80 % fachgerecht erfolgt ist und sich die Abweichungen im Wesentlichen lediglich auf optische Beeinträchtigungen beziehen (LG Freiburg DAR 1998, 477).
Rz. 350
Es ist überhaupt keine Frage, dass repariert werden darf, wenn die Reparaturkosten einschließlich der Wertminderung bereits nach dem Gutachten unterhalb des Wiederbeschaffungswertes, also sogar unter 100 % liegen und nur aufgrund des Restwertes sich rechnerisch ein Totalschaden ergibt (AG Limburg zfs 1999, 15).
Beispiel
Reparaturkosten: 8.683,43 EUR + 2.000 EUR Wertminderung = Reparaturaufwand: 10.683,43 EUR;
Wiederbeschaffungswert: 16.000 EUR - Restwert: 6.000 EUR = Wiederbeschaffungsaufwand: 10.000 EUR.
Rz. 351
Die Annahme einer fachgerechten Reparatur kann nicht mit der Begründung in Zweifel gezogen werden, dass zur Reparatur nicht ausschließlich Originalersatzteile verwendet worden sind. Entscheidend dafür, ob eine fachgerechte Reparatur vorliegt, ist allein die Frage, ob der vor der Beschädigung bestehende Zustand des Fahrzeuges auch durch den Einbau von gebrauchten Teilen erreicht worden ist, also von einer Teil- oder Billigreparatur nicht gesprochen werden kann (BGH v. 14.12.2010 – VI ZR 231/09 – VersR 2011, 282 = zfs 2011, 144; OLG Oldenburg zfs 2000, 339 = DAR 2000, 359; OLG Düsseldorf DAR 2001, 499; AG Hagen DAR 2000, 411).
Rz. 352
Andererseits soll eine vollständige und fachgerechte Reparatur nach den Vorgaben des Sachverständigen nicht vorliegen, wenn der Austausch von Zierleisten und eines Kniestücks unterblieben ist, selbst wenn dies zu keinen optischen Mängeln führt (BGH v. 2.6.2015 – VI ZR 387/14 – VersR 2015, 1267 = r+s 2015, 523 = NZV 2015, 591 = DAR 2015, 634). Vor dem Hintergrund dieser Entscheidung bleibt der Maßstab des BGH im Einzelfall doch etwas unberechenbar.