Rz. 227

Besteht keine Pflicht zur Anrechnung und Ausgleichung (§§ 2315 f. BGB), ist für die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs nach § 2327 Abs. 1 S. 1 BGB folgende Berechnung vorzunehmen: Sämtliche Eigengeschenke und auch sonstige Schenkungen, die ergänzungspflichtig sind, sind dem Nachlass hinzuzurechnen, und zwar inflationsbereinigt (siehe Rdn 106 f.) und mit den sich aus § 2325 Abs. 2 BGB ergebenden Wertansätzen.[604] So ist der Ergänzungspflichtteil zu ermitteln und hiervon (i.d.R. aber nicht vom Gesamtpflichtteil) das Eigengeschenk abzuziehen.[605] Die Formel lautet:[606]

Dabei ist: EP der Ergänzungspflichtteil, N der reale Nachlass, S die Summe der Schenkungen (einschließlich der an den Pflichtteilsberechtigten), Q der Nenner der gesetzlichen Erbquote des Pflichtteilsberechtigten, a das Eigengeschenk des Ergänzungsberechtigen.[607]

 

Rz. 228

Ist der Nachlass nicht negativ, so kann auch eine vereinfachte Berechnung erfolgen, die sich an die zu § 2325 BGB entwickelte "Faustformel" anlehnt: Man berechnet hier nur den Ergänzungspflichtteil (aus der Summe aller ergänzungspflichtigen Schenkungen, einschließlich dem Eigengeschenk des Pflichtteilsberechtigten) und zieht hiervon den Wert des Eigengeschenks ab.

 

Beispiel

Der Nachlass beträgt 240.000 EUR. Erbin ist die Witwe W aus Gütertrennungsehe. Der einzige sonstige pflichtteilsberechtigte Sohn S erhält 6.000 EUR als Schenkung. Eine weiter zu berücksichtigende Schenkung von 30.000 EUR erhält D. Der ordentliche Pflichtteil des S beträgt 60.000 EUR, der Pflichtteilsergänzungsanspruch infolge des Eigengeschenks ist 3.000 EUR (36.000 EUR : 4 – 6.000 EUR).

 

Rz. 229

Ist das Eigengeschenk größer als der Ergänzungspflichtteil, so muss der Pflichtteilsberechtigte nichts in den Nachlass zurückerstatten, hat jedoch auch keinen Pflichtteilsergänzungsanspruch mehr. Eine Anrechnung auf den ordentlichen Pflichtteil erfolgt nicht, jedoch kann bei unzureichendem Nachlass der Beschenkte wegen seines Eigengeschenks von anderen Pflichtteilsberechtigten nach § 2329 Abs. 1 S. 2 BGB in Anspruch genommen werden.[608]

 

Rz. 230

Wenn mehrere Pflichtteilsberechtigte, von denen jeder ein Geschenk erhalten hat, Ergänzungsansprüche geltend machen, so ist für jeden getrennt die Berechnung seines Anspruchs durchzuführen. Dabei sind allerdings zunächst alle ergänzungspflichtigen Schenkungen dem Nachlass hinzuzurechnen und anschließend ist für jeden getrennt sein Eigengeschenk auf die Ergänzung anzurechnen.[609]

[604] Staudinger/Olshausen, § 2327 Rn 17; Damrau/Tanck/Lenz-Brendel, § 2327 Rn 9 ff.
[605] Palandt/Weidlich, § 2327 Rn 2; Damrau/Tanck/Lenz-Brendel, § 2327 Rn 10.
[606] Nach Nieder/Kössinger, Testamentsgestaltung, § 2 Rn 169.
[607] Ausführliche Berechnungsbeispiele bei Staudinger/Olshausen, § 2327 Rn 18; Soergel/Dieckmann, § 2327 Rn 7; Gottwald, Pflichtteilsrecht, § 2327 Rn 8 ff.; Lange/Kuchinke, § 37 X 6 b; Kerscher/Riedel/Lenz, § 9 Rn 131; Palandt/Weidlich, § 2327 Rn 2 (aber nur bei Gütergemeinschaft und positiven Nachlass richtig).
[608] Soergel/Dieckmann, § 2327 Rn 6; Bührer, ZBlFG 15, 213, 222; Staudinger/Olshausen, § 2327 Rn 18; Sturm/Sturm, in: FS v. Lübtow, 1980, S. 599, 610.
[609] Staudinger/Olshausen, § 2327 Rn 20.

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