Rz. 11
BGH, Beschl. v. 6.3.2012 – VI ZR 167/11, RuS 2012, 461
Zitat
Orientierungssatz juris:
Wenn bei Klageerhebung erst ein Teil des Schadens entstanden und die Entstehung weiteren Schadens – nämlich des Nutzungsausfallschadens bei Reparatur des Fahrzeuges – nach dem Vorbringen des Klägers noch zu erwarten ist, ist die Feststellungsklage insgesamt zulässig. Der Kläger ist nicht gehalten, seine Klage in eine Leistungs- und eine Feststellungsklage aufzuspalten (Festhaltung BGH, 8.7.2003 – VI ZR 304/02, VersR 2003, 1256).
a) Der Fall
Rz. 12
Der Kläger hatte die Beklagte auf Ersatz materiellen Schadens aus einem Verkehrsunfall vom 5.12.2009 in Anspruch genommen. Nachdem der Kläger in der Klageschrift zunächst beantragt hatte festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm den bei dem Verkehrsunfall entstandenen Schaden in vollem Umfang zu ersetzen, hat er auf Hinweis des AG Leistungsklage auf Zahlung der Unkostenpauschale in Höhe von 25 EUR erhoben und seinen bisherigen Antrag zum Gegenstand einer Zwischenfeststellungsklage gemacht. Das AG hat der Leistungsklage stattgegeben und den Zwischenfeststellungsantrag mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat das LG zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision hat der Kläger seinen Zwischenfeststellungsantrag weiterverfolgt. Mit Schriftsatz vom 19.10.2011 hat der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Beklagte hat der Erledigungserklärung nach Belehrung über die Rechtsfolgen eines unterlassenen Widerspruchs gemäß § 91a Abs. 1 S. 2 ZPO nicht widersprochen.
b) Die rechtliche Beurteilung
Rz. 13
Die Kosten des Rechtsstreits waren gemäß § 91a Abs. 1 ZPO zu ¼ dem Kläger und zu ¾ der Beklagten aufzuerlegen. Dies entsprach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands.
Rz. 14
Ohne die Erledigungserklärung wäre das Berufungsurteil auf die Revision des Klägers aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen gewesen. Denn die Zwischenfeststellungsklage war zulässig. Ihre Erhebung war insbesondere nicht rechtsmissbräuchlich. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts diente die Erhebung der Zwischenfeststellungsklage nicht dem Zweck, die besonderen Prozessvoraussetzungen einer Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zu umgehen. Die Klage war nämlich bereits als allgemeine Feststellungsklage zulässig. Das rechtliche Interesse des Klägers an einer alsbaldigen Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO ergab sich daraus, dass sich der anspruchsbegründende Sachverhalt zur Zeit der Klageerhebung noch in der Entwicklung befand. Bei Klageerhebung war erst ein Teil des Schadens entstanden. Die Entstehung weiteren Schadens – nämlich des Nutzungsausfallschadens bei Reparatur des Fahrzeuges – war nach dem Vorbringen des Klägers noch zu erwarten. In einer derartigen Fallgestaltung ist die Feststellungsklage nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs insgesamt zulässig. Der Kläger ist nicht gehalten, seine Klage in eine Leistungs- und eine Feststellungsklage aufzuspalten
Rz. 15
Es ließ sich nicht absehen, ob die zulässige Klage auch in vollem Umfang begründet gewesen wäre. Aufgrund der Feststellungen des AG wäre zwar jedenfalls von einer hälftigen Haftung der Beklagten auszugehen gewesen, weil der Unfallhergang aus der Sicht des Sachverständigen unaufklärbar war. Ob der Klägerin trotzdem der Nachweis gelungen wäre, dass die Beklagte den Unfall verursacht hat, lässt sich nicht abschließend beurteilen, weil das AG diese Frage offen gelassen hatte. Ihre Beurteilung hing von einer tatrichterlichen Würdigung des Inbegriffs der mündlichen Verhandlung, insbesondere der Aussage einer Zeugin ab, von deren Vernehmung das AG abgesehen hatte und die das Revisionsgericht nicht nachholen konnte.