Rz. 263
Die Revision wandte sich mit Erfolg gegen die Bemessung der Hinterbliebenenentschädigung durch das Berufungsgericht.
Rz. 264
Zwar ist die Bemessung der Höhe der angemessenen Entschädigung grundsätzlich Sache des nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters. Sie ist vom Revisionsgericht nur darauf zu überprüfen, ob die Festsetzung Rechtsfehler enthält, insbesondere ob das Gericht sich mit allen für die Bemessung der Hinterbliebenenentschädigung maßgeblichen Umständen ausreichend auseinandergesetzt und sich um eine angemessene Beziehung der Entschädigung zu Art und Ausmaß des durch den Tod zugefügten seelischen Leids bemüht hat. Die Bemessung der Hinterbliebenenentschädigung kann in aller Regel nicht schon deshalb beanstandet werden, weil sie als zu dürftig oder als zu reichlich erscheint; insoweit ist es der Revision verwehrt, ihre Bewertung an die Stelle des Tatrichters zu setzen. Die Revision rügte aber zu Recht, dass die Erwägungen des Berufungsgerichts zu den Grundlagen der Bemessung von Rechtsfehlern beeinflusst waren.
Rz. 265
Das Berufungsgericht war allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass bei der Festsetzung der Hinterbliebenenentschädigung nicht lediglich eine schematische Bemessung vorgenommen werden darf, sondern die konkrete seelische Beeinträchtigung des betroffenen Hinterbliebenen zu bewerten ist und hierbei die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles zu berücksichtigen sind. Die Bestimmungen in § 844 Abs. 3 BGB und § 10 Abs. 3 StVG gewähren einen Anspruch auf Ersatz eines Nichtvermögensschadens. Sie sehen für immaterielle Nachteile – die seelischen Beeinträchtigungen, die durch den Verlust einer geliebten Person eintreten wie insbesondere Trauer und Niedergeschlagenheit – eine "angemessene Entschädigung in Geld" vor. Insoweit entsprechen sie den in § 253 Abs. 2 BGB, § 15 Abs. 2 S. 1 AGG geregelten Ansprüchen auf Ersatz immateriellen Schadens, für die die Pflicht des Tatrichters, die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles zu berücksichtigen, anerkannt ist. Dementsprechend verweist der Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD v. 7.3.2017 (BT-Drucks 18/11397, 14) ausdrücklich darauf, dass die Bestimmung der Anspruchshöhe den Gerichten überlassen werde, welche Erwägungen der Angemessenheit zugrunde zu legen und § 287 ZPO anzuwenden hätten. Nach § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO entscheidet das Gericht über die streitige Frage, wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, unter Würdigung aller Umstände.
Rz. 266
Wie das Berufungsgericht weiter zutreffend angenommen hat, sind bei der Bemessung der Hinterbliebenenentschädigung ähnlich wie beim Schmerzensgeld sowohl der Ausgleichs- als auch der Genugtuungsgedanke zu berücksichtigen. Die Entschädigung soll dem Hinterbliebenen einen gewissen Ausgleich bieten für die seelischen Beeinträchtigungen, die durch den Tod einer geliebten Person eintreten; auch wenn ein echter Ausgleich nicht möglich ist, soll mit der Entschädigung das mit dem Verlust des Angehörigen verbundene seelische Leid wenigstens gelindert werden. Zugleich soll die Hinterbliebenenentschädigung aber auch dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Hinterbliebenen für das, was er ihm durch die Herbeiführung des Todes einer geliebten Person angetan hat, Genugtuung schuldet. Da das Gesetz eine angemessene Entschädigung fordert, kann der Ausgleichszweck nicht allein maßgebend für das Ausmaß der Leistung sein. Das alleinige Abstellen auf den Ausgleichsgedanken ist unmöglich, weil sich immaterielle Schäden nicht und Ausgleichsmöglichkeiten nur beschränkt in Geld ausdrücken lassen.
Vor dem Hintergrund dieser Erwägungen sind maßgebend für die Höhe der Hinterbliebenenentschädigung im Wesentlichen die Intensität und Dauer des erlittenen seelischen Leids und der Grad des Verschuldens des Schädigers. Wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hatte, lassen sich dabei aus der Art des Näheverhältnisses, der Bedeutung des Verstorbenen für den Anspruchsteller und der Qualität der tatsächlich gelebten Beziehung indizielle Rückschlüsse auf die Intensität des seelischen Leids ableiten.
Rz. 267
Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegneten aber die Erwägungen des Berufungsgerichts zum Verhältnis der Hinterbliebenenentschädigung zum Schmerzensgeld wegen eines sogenannten Schockschadens.
Rz. 268
Das Berufungsgericht war allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei dem Hinterbliebenengeld einerseits und dem Schockschadensersatz andererseits um unterschiedliche Rechtsinstitute handelt. Während der Anspruch auf Gewährung eines Schmerzensgeldes wegen eines Schockschadens aus § 7 Abs. 1, § 11 StVG, § 823 Abs. 1, § 253 Abs. 2 BGB auf der Verletzung eines eigenen Rechtsguts beruht, setzt der Anspruch auf Hinterbliebenengeld aus § 10 Abs. 3 StVG, § 844 Abs. 3 BGB keine über Trauer und seelisches Leid hinausgehende gesundheitliche Beeinträchtigung des Hinterbliebenen im Sinne einer eigenen Gesundheitsverletzung voraus. Die Einführung dieses Anspruchs dient...