Rz. 16
BGH, Beschl. v. 09.1.2007 – VI ZR 133/06, VersR 2007, 708
Zitat
§ 256 Abs. 1 ZPO, § 823 BGB
1. Eine Klage auf Feststellung der deliktischen Verpflichtung eines Schädigers zum Ersatz künftiger Schäden ist zulässig, wenn die Möglichkeit eines Schadenseintritts besteht. Ein Feststellungsinteresse ist nur zu verneinen, wenn aus der Sicht des Geschädigten bei verständiger Würdigung kein Grund besteht, mit dem Eintritt eines Schadens wenigstens zu rechnen (im Anschluss an Senatsurt. v. 20.3.2001 – VI ZR 325/99, VersR 2001, 876 f.; v. 16.1.2001 – VI ZR 381/99, VersR 2001, 874 f.)
2. Eine solche Feststellungsklage ist begründet, wenn die sachlichen und rechtlichen Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs vorliegen, also insbesondere ein haftungsrechtlich relevanter Eingriff gegeben ist, der zu den für die Zukunft befürchteten Schäden führen kann. Ob darüber hinaus im Rahmen der Begründetheit eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zu verlangen ist, bleibt offen (im Anschluss an Senatsurt. v. 16.1.2001 – VI ZR 381/99, VersR 2001, 874, 875 m.w.N.)
I. Der Fall und die rechtliche Beurteilung
Rz. 17
Die Nichtzulassungsbeschwerde hatte Erfolg, soweit sich die Klägerin gegen die Abweisung ihrer Anträge auf Feststellung der Ersatzverpflichtung der Beklagten für sämtliche materiellen Schäden wendet, die ihr als Folgen eines ärztlichen Eingriffs entstanden waren und entstehen werden und soweit sie sich gegen die Abweisung ihres Antrags auf Feststellung der Ersatzverpflichtung der Beklagten für die immateriellen Schäden wandte, die ihr als Folgen dieses Eingriffs entstehen werden
Rz. 18
Die angefochtene Entscheidung verletzte mit der Abweisung dieser Feststellungsanträge den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).
Rz. 19
Zwar ist ein Gericht nicht verpflichtet, zu jedem Angriffsmittel im Einzelnen Stellung zu nehmen (§ 313 Abs. 3 ZPO; Senat, Beschl. v. 24.8.2005 – VI ZR 227/04, n.v.; BGH, Beschl. v. 24.2.2005 – III ZR 263/04, NJW 2005, 1432, 1433). Auch ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nur dann festzustellen, wenn sich dies aus den besonderen Umständen des Falles ergibt (BVerfGE 96, 205, 216 f.). Solche Umstände lagen hier vor.
Rz. 20
Das Berufungsgericht hatte zur Begründung seiner Abweisung der Feststellungsanträge ausschließlich auf die psychischen Schäden abgestellt, die nach Ansicht der Klägerin künftig zu befürchten, nach Ansicht des Berufungsgerichts aber von dem Zahlungsausspruch über das Schmerzensgeld umfasst waren. Das vermochte die Abweisung der Feststellungsbegehren nicht zu tragen.
Rz. 21
Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist eine Klage auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz bereits eingetretener und künftiger Schäden zulässig, wenn die Möglichkeit eines Schadenseintritts besteht. Ein Feststellungsinteresse (§ 276 Abs. 1 ZPO) ist nur zu verneinen, wenn aus der Sicht des Geschädigten bei verständiger Würdigung kein Grund gegeben ist, mit dem Eintritt eines Schadens wenigstens zu rechnen (vgl. Senatsurt. v. 20.3.2001 – VI ZR 325/99, VersR 2001, 876; v. 16.1.2001 – VI ZR 381/99, VersR 2001, 874, 875).
Rz. 22
Ein zulässiger Feststellungsantrag ist begründet, wenn die sachlichen und rechtlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs vorliegen, also ein haftungsrechtlich relevanter Eingriff gegeben ist, der zu möglichen künftigen Schäden führen kann. Ob darüber hinaus im Rahmen der Begründetheit eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zu verlangen ist (vgl. dazu Senatsurt. v. 16.1.2001 – VI ZR 381/99, a.a.O.; von Gerlach, VersR 2000, 525, 531 f.), bedurfte unter den Umständen des Streitfalls keiner abschließenden Entscheidung.
Rz. 23
Nach diesen Grundsätzen hatte das Berufungsgericht Veranlassung näher darzulegen, aus welchem Grund es die Feststellungsanträge der Klägerin umfassend zurückgewiesen hat. Das beanstandete die Nichtzulassungsbeschwerde mit Erfolg.
Rz. 24
Der Antrag, die Ersatzverpflichtung der Beklagten für sämtliche materiellen Schäden festzustellen, der mit einem bereits eingetretenen Schaden begründet wurde, war nach den genannten Grundsätzen der Rechtsprechung zulässig; davon war das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler ausgegangen.
Rz. 25
Der Antrag war auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen auch nicht unbegründet. Das Berufungsgericht hatte die Aufklärung zu dem ärztlichen Eingriff für verspätet und den Eingriff dementsprechend als haftungsbegründend für das zugesprochene Schmerzensgeld gewertet. Zugleich war es davon ausgegangen, dass die mit der Operation verbundenen Schmerzen und Beschwerden sowie die daraus folgenden Beeinträchtigungen, insbesondere die psychischen Beeinträchtigungen der Klägerin einer psychosomatisch-psychotherapeutischen Behandlung bedürften, welche gute Erfolgsaussichten habe. Das Entstehen von Kosten für eine psychosomatische Behandlung und damit die Entstehung ...