I. Überblick
Rz. 1
Ist der Anwalt mit der Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels beauftragt, gilt Teil 2 Abschnitt 1 VV. Dem Anwalt darf allerdings noch kein unbedingter Prozessauftrag für das Rechtsmittel erteilt worden sein. Anderenfalls wird seine Tätigkeit durch die entsprechende Verfahrensgebühr für das Rechtsmittelverfahren abgegolten, die auch die Beratung abdeckt (§ 19 Abs. 1 S. 1 RVG) (siehe hierzu Beispiel 8).
Rz. 2
Erforderlich ist, dass die Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels geprüft werden soll. Auf bloße Rechtsbehelfe, wie
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den Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid oder gegen ein Versäumnisurteil, |
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Erinnerungen, |
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Gegenvorstellungen |
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Wiedereinsetzungs- und Wiederaufnahmeanträge, |
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Anträge auf Urteilsergänzung oder -berichtigung, |
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Nichtigkeits- und Restitutionsklagen, |
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Anträge auf gerichtliche Entscheidung in Bußgeldsachen, soweit Vorbem. 5 Abs. 4 VV greift, |
ist diese Vorschrift nicht anzuwenden. Hier wird die Prüfung durch die jeweilige Verfahrensgebühr mit abgegolten, wenn der Rechtsbehelf keine eigene Angelegenheit darstellt. Stellt der Rechtsbehelf eine neue Angelegenheit dar, dann löst auch die Prüfung der Erfolgsaussicht ohne bereits erteilten Verfahrensauftrag auch hier eine weitere Vergütung aus, und zwar – sofern nichts anderes bestimmt ist – eine Beratungsgebühr nach § 34 RVG.
Rz. 3
Erforderlich ist ein Auftrag zur Prüfung der Erfolgsaussicht. Die Prüfungsgebühr der Nr. 2100 VV entsteht daher nicht, wenn der Prozessbevollmächtigte der ersten und zweiten Instanz den Revisionsbeklagten dahin berät, dass eine Vertretung durch einen am BGH zugelassenen Rechtsanwalt nicht erforderlich sei, weil ein Versäumnisurteil ausgeschlossen werden könne.
Rz. 4
Die Gebühren nach Teil 2 Abschnitt 1 VV gelten auch dann, wenn der Mandant bereits den Auftrag zum Rechtsmittel bedingt für den Fall erteilt hatte, dass der Anwalt zu dem Ergebnis komme, es bestehe Aussicht auf Erfolg. Insoweit liegt nur ein bedingter Rechtsmittelauftrag vor, der erst mit dem Eintritt der Bedingung (positives Beratungsergebnis) wirksam wird (§ 158 Abs. 1 BGB). Soweit der Anwalt vom Rechtsmittel abrät, kommt mangels Bedingungseintritt der Rechtsmittelauftrag nicht zustande, sodass es bei der Vergütung nach Nrn. 2100 ff. VV verbleibt. Kommt der Anwalt zu einem positiven Beratungsergebnis, wird der Rechtsmittelauftrag wirksam, sodass hiernach die Verfahrensgebühr des jeweiligen Rechtsmittels entsteht. Die Prüfungsgebühr ist dann auf die Gebühr des Rechtsmittelverfahrens anzurechnen (Anm. zu Nr. 2100 VV und Anm. zu Nr. 2102 VV) (siehe Rdn 18 ff., 28 ff., 36 ff.).
Rz. 5
Unerheblich ist, ob der mit der Prüfung beauftragte Anwalt im vorangegangenen Verfahren Bevollmächtigter war. Die Gebühr nach Nr. 2100 VV kann insbesondere auch dann anfallen, wenn die Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels durch den bisherigen Prozessbevollmächtigten erfolgt.
Rz. 6
Umstritten war, ob für die Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels Prozesskostenhilfe bewilligt werden darf. Die überwiegende Ansicht ist von Anfang an davon ausgegangen, dass dies nicht möglich sei, weil es sich bei der Prüfung der Erfolgsaussicht des Rechtsmittels nicht um eine Tätigkeit in einem gerichtlichen Verfahren, sondern um eine Tätigkeit anlässlich eines gerichtlichen Verfahrens handele. Der BGH hat diese Auffassung zwischenzeitlich bestätigt.
Rz. 7
Ist allerdings Prozesskostenhilfe für die Prüfung der Erfolgsaussicht bewilligt, dann sind die Festsetzungsorgane an die Bewilligungsbeschlüsse gebunden, sodass der Anwalt aus der Staatskasse zu vergüten ist.
Rz. 8
Soweit Prozesskostenhilfe für die Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels abgelehnt wird, muss allerdings Beratungshilfe bewilligt werden, wenn die wirtschaftlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen (siehe hierzu § 10).
Rz. 9
Beim Pflichtverteidiger wird die Rechtslage anders gesehen. So ist nach der Auffassung des LG Berlin auch die Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels von der Beiordnung erfasst.
Rz. 10
Hinsichtlich der abzurechnenden Gebühren ist auch bei der Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels danach zu differenzieren,
oder