Rz. 19
Aufgegebenes Reisegepäck: Punkt 2.1 AVB Reisegepäck 1992/2021 stellt den Sonderfall einer Allgefahrenversicherung mit denen in Punkt 3 AVBR Reisegepäck 1992/2008 abschließend aufgezählten Ausschlusstatbeständen dar. Hingegen sind bei mitgeführtem Reisegepäck (Punkt 2.2 AVB Reisegepäck 1992/2021) nur die abschließend aufgezählten Ereignisse versichert (Einzelgefahrenversicherungen).
Für die Voraussetzungen der Nr. 1 ist der Versicherungsnehmer beweispflichtig. Man wird den strengen Beweis nach § 286 ZPO verlangen müssen, da die Allgefahrenversicherung eine Ausnahme von der sonstigen Einzelgefahrenversicherung darstellt.
Hinsichtlich der Tatbestände der Punkte 2.2 und 2.3 AVB Reisegepäck 1992/2021 ist der Versicherungsnehmer zwar auch beweispflichtig; es gilt aber der erleichterte Beweismaßstab wie in der Fahrzeugvollversicherung. Es reicht also aus, wenn der Versicherungsnehmer ein äußeres Erscheinungsbild nachweist, das nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf einen versicherten Schadenfall zulässt. Dieser erleichterte Nachweis, der beispielsweise auch durch Parteianhörung des Versicherungsnehmers geführt werden kann, kann aber schon daran scheitern, dass sich bei dem Versicherungsnehmer in den letzten Jahren vor dem behaupteten Schadenfall gehäufte Reisegepäckverluste ereignet haben oder er im konkreten Schadenfall falsche Belege vorlegt. Im letzteren Fall liegt Leistungsfreiheit des Versicherers wegen arglistiger Täuschung durch den Versicherungsnehmer näher.
Die Redlichkeit des Versicherungsnehmers wird grundsätzlich vermutet.
Ist dem Versicherungsnehmer dieser Beweis gelungen, dann muss der Versicherer Tatsachen beweisen, aus denen sich die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer Vortäuschung des Versicherungsfalles ergibt. Bei der Reisegepäckversicherung muss berücksichtigt werden, dass der Versicherungsnehmer in vielen Fällen in erhebliche Beweisschwierigkeiten gerät, andererseits soll diese Versicherungssparte für vorgetäuschte Fälle besonders anfällig sein. Beweist der Versicherer die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer Vortäuschung, entfällt für den Versicherungsnehmer die Redlichkeitsvermutung, und er muss den Vollbeweis führen. Kommt ein Koffer abhanden, ist die Redlichkeit des Versicherungsnehmers oftmals durch einfaches Nachpacken des Koffers nebst Inhalt erschüttert worden. Das LG Stade sah in einer Auflistung der abhandengekommenen Sachen, ohne dass die Sachen der nicht versicherten Ehefrau gekennzeichnet waren, eine arglistige Täuschung.
Rz. 20
Damit der Tatbestand des Punkt 2.1 AVB Reisegepäck 1992/2021 – aufgegebenes Gepäck – erfüllt ist, ist einmal notwendig, dass mit den dort genannten Unternehmen oder Personen ein rechtlich bindender Werk-, Dienst- oder Verwahrungsvertrag abgeschlossen ist, wobei Gefälligkeitsverhältnisse nicht ausreichen. Zum anderen ist erforderlich, dass der Dritte Alleingewahrsam an dem Reisegepäck hat. Der Begriff des Gepäckträgers ist weit auszulegen und nicht nach bahnrechtlichen Normen zu definieren. Auch der einheimische Jagdbegleiter, der auf einer Safari das Gepäck des Versicherungsnehmers von der Unterkunft zum Geländewagen trägt und hierbei einen Teil des Reisegepäckes beschädigt oder zerstört, ist Gepäckträger. Bei fehlgeleitetem Gepäck stellt sich die Frage, wann ein Abhandenkommen des Gepäckes angenommen werden kann. Überwiegend wird vertreten, dass man davon ausgehen muss, dass Gepäck abhandengekommen ist, wenn mit der Wiederbeschaffung des Gepäckes innerhalb von zwei Wochen ab dem zu erwartenden Ablieferungszeitpunkt nicht mehr gerechnet werden kann. Findet sich das Gepäck später wieder ein, entfällt der Anspruch auf Entschädigung bzw. eine bereits gezahlte Entschädigung ist zurückzuzahlen. Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, dem Versicherer ein Wiedererlangen anzuzeigen. Diese Pflicht ist zwar nicht ausdrücklich normiert, ergibt sich jedoch aus § 242 BGB. Allerdings ist in diesen Fällen Punkt 2.3 AVB Reisegepäck 1992/2021 zu beachten, wonach sich eine eingeschränkte Entschädigungspflicht des Versicherers für Ersatzkäufe ergibt. Es werden bis zur Entschädigungsgrenze nur die Kosten erstattet, die zur Fortsetzung der Reise notwendig sind. Daher sind auch Ersatzkäufe wegen verspäteter Ankunft bei der Rückreise nicht versichert. Es besteht keine Beschränkung auf die Art und Qualität der Ersatzkäufe; Maßstab ist der jeweilige Reisende, denn es gilt auch hier das Bereicherungsverbot und das Schadenminderungsgebot. Trifft das Gepäck später ein, so hat dies keinen Einfluss auf den Entschädigungsanspruch für die bereits getätigten Ersatzkäufe.
Ebenfalls versichert sind die Aufwendungen für die Wiedererlangung des Reisegepäcks. Dies entspricht der Regelung des § 83 VVG. Allerdings sind Leistungen des Versicherers für Ersatzkäufe und die Kosten für die Wiedererlangung meist auf 500 EUR beschränkt.
Rz. 21
Die in Punkt 2.2 a AVB Reisegepäck 1992/2021 genannten Handlungen – Diebstahl, Einbruchdiebstahl, R...