Rz. 112
Der Anspruch gegen den Versicherer auf Zahlung der Entschädigung entsteht mit der Feststellung seiner Leistungspflicht. Diese Feststellung fällt zeitlich mit dem Abschluss der notwendigen Erhebungen zusammen. Dazu gehören auch – wie sich aus Punkt 12.4 AVB Reisegepäck 1992/2021 ergibt – behördliche Erhebungen oder strafgerichtliches Verfahren gegen den Versicherten, weil während deren Dauer die notwendigen Erhebungen des Versicherers noch nicht abgeschlossen werden können.
Problematisch erscheint es, wenn der Versicherer die Zahlung bis zum rechtskräftigen Abschluss dieser Verfahren aufschieben darf. § 14 VVG sieht einen derartigen Aufschub der Entschädigungszahlung ausdrücklich nicht vor, so dass Bedenken aus §§ 9 Abs. 2, 10 Nr. 1 AGB-Gesetz bestehen. Der rechtskräftige Abschluss strafgerichtlicher Verfahren kann sich nicht nur im Inland wegen bestehender Rechtsmittelmöglichkeiten, vielmehr erst recht im Ausland infolge schleppender Bearbeitung jahrelang hinziehen, so dass es gerechtfertigt erscheint, dem Versicherer eine Aufschiebebefugnis für die Zahlung nur bis zum Abschluss des Verfahrens in erster Instanz zuzubilligen.
Rz. 113
Voraussetzung der Feststellung einer Leistungspflicht des Versicherers ist, dass der Versicherungsnehmer den Eintritt des Versicherungsfalls bewiesen hat. In den Fällen des Punkt 2.2 und 3 AVB Reisegepäck 1992/2021 gilt der erleichterte Beweismaßstab, wonach der Versicherte nur das äußere Erscheinungsbild nachweisen muss, das nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf einen versicherten Schadenfall zulässt. Ist dieser Beweis geführt worden, muss der Versicherer Tatsachen beweisen, aus denen sich die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer Vortäuschung des Versicherungsfalls ergibt (vgl. Rdn 19).
Rz. 114
Hinsichtlich der Schadenhöhe kommt dem Versicherten § 287 ZPO zugute, soweit er Belege über den Ankauf beschädigter oder abhanden gekommener Reisegepäckstücke (Punkt 12.1 c AVB Reisegepäck 1992/2021) nicht mehr vorlegen kann. Bei teuren und neuwertigen Gegenständen kann es dem Anspruchsteller aber zum Nachteil gereichen, wenn er den Anschaffungsbeleg nicht mehr vorlegen kann. Bei einer Schätzung darf auch eine Plausibilitätskontrolle vorgenommen werden. Wenn ein mittelloser Student anzeigt, ihm seien eine Luxusuhr oder hochwertige Bekleidungsstücke abhandengekommen, wird bei der Schätzung eine gewisse Zurückhaltung geboten sein.
Rz. 115
Die Auszahlung der Entschädigung hat binnen zwei Wochen nach Feststellung der Leistungspflicht zu erfolgen. Die in Punkt 17.2 AVB Reisegepäck 1992/2021 geregelte Verzinsungspflicht entfällt rückwirkend, soweit die Entschädigung innerhalb eines Monats seit Schadensanzeige gezahlt wird. Überspannt hat die Anforderungen aber wohl das AG Düsseldorf.
Rz. 116
Hinweis
Der Versicherte kann einen Monat nach Schadensanzeige eine Abschlagszahlung verlangen, wie das auch § 14 Abs. 2 VVG vorsieht, soweit das bisherige Ergebnis der Feststellung das rechtfertigt. Das wird der Fall sein, wenn die nötigen Erhebungen hinsichtlich von Teilbeträgen abgeschlossen sind.
Da nur der Versicherte Abschlagszahlungen beanspruchen kann, ist rückzuschließen, dass der Versicherer von sich aus oder gar gegen den Willen der versicherten Person Abschlagszahlungen nicht vornehmen darf. Der Versicherer könnte dadurch nämlich dem Entschädigungsanspruch die Berufungsfähigkeit in einem Prozess nehmen oder einen geringeren Teil des Anspruchs unerfüllt lassen in der Hoffnung, dass der Restbetrag nicht mehr ernsthaft geltend gemacht wird. Es ist auch auf § 266 BGB zu verweisen.
Rz. 117
Falls nach Zahlung der Entschädigung die abhanden gekommene Sache wieder herbeigeschafft wird, steht dem Versicherten kein Wahlrecht zu, die Entschädigung zu behalten und die herbeigeschaffte Sache dem Versicherer zur Verfügung zu stellen, weil die AVB Reisegepäck 1992/2021 ein derartiges Wahlrecht nicht vorsehen. Der Versicherte hat vielmehr die Entschädigung zurückzuzahlen, gegebenenfalls vermindert um einen Abschlag, wenn die herbeigeschaffte Sache beschädigt worden ist, in Höhe der Reparaturkosten und einer etwaigen Wertminderung (Punkt 12.1 b AVB Reisegepäck 1992/2021). Eine Einzelfalllösung des Versicherers kann jedoch erfragt werden.