A. Allgemeines
Rz. 1
Gemäß § 254 Abs. 2 BGB verstößt ein Geschädigter gegen seine Schadenminderungspflicht, wenn er es unterlassen hat,
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auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, |
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den Schaden abzuwenden, |
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den Schaden zu mindern. |
B. Umfang der Schadenminderungspflicht
Rz. 2
Die Schadenminderungspflicht verlangt von dem Geschädigten alle Maßnahmen, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung von einem ordentlichen Menschen aufgewendet werden müssen, um einen Schaden abzuwenden oder gering zu halten.
Rz. 3
Zur Herstellung des früheren Zustands sind erforderlich nur die Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Unter mehreren Mitteln der Schadenbeseitigung ist dasjenige zu wählen, das den deutlich geringsten Aufwand erfordert.
Rz. 4
Bei Verkehrsunfallsachen ist oft zweifelhaft, wer den Schaden im Ergebnis zu tragen hat, sodass es bereits das wohlverstandene Eigeninteresse des Geschädigten verlangt, den in jedem Fall sichersten und kostengünstigsten Weg zu wählen. Der Geschädigte darf einerseits nicht zu seinem eigenen Vorteil auf Kosten Dritter großzügig sein, andererseits muss er nicht zugunsten des Schädigers sparen.
Der Geschädigte soll an dem Schadenfall nicht "verdienen".
Der Geschädigte ist nicht (mehr) verpflichtet, im Wege der Schadenminderungspflicht seine eigene Vollkaskoversicherung in Anspruch zu nehmen.
Rz. 5
Praxistipp
Bei jeder Maßnahme, die ein Geschädigter zur Schadenbeseitigung ergreifen will, sollte der beauftragte Rechtsanwalt die Kontrollfrage stellen:
"Würden Sie diesen Aufwand auch dann betreiben, wenn Sie den Schaden selbst bezahlen müssten?"
Diese subjektiven Überlegungen ändern nichts daran, dass der Haftungsmaßstab objektiv zu bestimmen ist: Entscheidend ist allein, was ein verständiger, wirtschaftlich denkender Geschädigter aufwenden würde, um den Schaden zu beseitigen.
Rz. 6
Hinweis
Wenn der Geschädigte die Höhe der Kosten der Schadenbeseitigung beeinflussen kann, muss er im Rahmen des Zumutbaren den wirtschaftlichsten Weg wählen.
Die Schadenminderungspflicht ist die Schranke für die Höhe der erforderlichen Kosten der Schadenbeseitigung.
C. Erfüllungsgehilfen
Rz. 7
Nach § 278 BGB sind Erfüllungsgehilfen des Schuldners diejenigen Personen, "deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient". Erfüllungsgehilfen sind daher nur diejenigen Personen, die nach den tatsächlichen Gegebenheiten mit dem Willen des Schuldners bei der Erfüllung einer diesem obliegenden Verbindlichkeit als dessen Hilfspersonen tätig werden. Zwischen der von dem Geschädigten beauftragten Werkstatt und dem eintrittspflichtigen Haftpflichtversicherer bestehen keine Verbindungen, sodass die Werkstatt bereits begrifflich nicht Erfüllungsgehilfin des Schädigers sein kann.
Rz. 8
Ebenso wenig sind Werkstatt, Sachverständiger und Mietwagenunternehmen Erfüllungsgehilfen des Geschädigten, weil sie eigene Vertragspflichten zu erfüllen haben.
D. Auswahlverschulden
Rz. 9
Wegen der größeren Sachnähe hat der Geschädigte nicht nur die Dispositionsfreiheit, sondern auch die Dispositionspflicht mit der Maßgabe, dass er nur solche Dispositionen zur Schadenbeseitigung treffen darf, die für die Schadenbeseitigung erforderlich sind.
Neben der eigenverantwortlichen Prüfung des Schadenumfangs obliegt dem Geschädigten die Auswahl der geeigneten Werkstatt, des geeigneten Sachverständigen usw.
Rz. 10
Für ein Auswahlverschulden hat der Geschädigte somit selbst einzustehen, beispielsweise dann, wenn er eine offensichtlich ungeeignete oder völlig überlastete Werkstatt mit der Durchführung der Reparaturarbeiten beauftragt. Grundsätzlich kann und soll der Geschädigte jedoch die Werkstatt seines Vertrauens beauftragen.
Rz. 11
Wenn den Geschädigten kein Auswahlverschulden trifft, muss der Schädiger sich dessen Rückforderungsansprüche/Schadenersatzansprüche abtreten lassen und selbst gegen die Werkstatt vorgehen.
E. Überwachungsverschulden
Rz. 12
Der Geschädigte muss nach der Beauftragung einer Fachwerkstatt deren Arbeiten überwachen. Insbesondere muss er vor Beauftragung der Werkstatt den Reparaturtermin abstimmen, sich während der Dauer der Reparaturarbeiten gegebenenfalls erkundigen, ob das zu reparierende Fahrzeug auch fristgerecht fertig gestellt...