Rz. 17
Ein Anwendungsbereich, in dem Pseudonymisierung angezeigt sein kann, ist in der medizinischen Forschung und Diagnostik zu sehen.
Rz. 18
Die medizinische Forschung ist überall dort, wo sie sich auf evidenzbasierte Daten stützt, auf die Verarbeitung von Gesundheitsdaten von Probanden angewiesen. Im Bereich der behördlichen Arzneimittelzulassung ist die klinische Erprobung zwingende Zulassungsvoraussetzung. Für die Durchführung der Forschung sind jedoch in der Regel Informationen, die einen bestimmten Probanden als solchen identifizieren, wie sein Vor- und Nachname oder seine Adressdaten, nicht erforderlich. Mit Blick auf eine langzeitige Risikobetrachtung – und zum Schutz der Probanden – dürfte in den meisten Fällen gleichwohl eine anonyme Teilnahme an medizinischen Forschungsprojekten ausscheiden. Man denke nur daran, dass erst Monate oder gar Jahre nach der Durchführung einer Forschungsmaßnahme Nebenwirkungen bekannt werden, die ein Einschreiten erfordern. Wäre der Proband in einem solchen Fall auch für den Forschungsträger anonym, würden Hilfemaßnahmen nur schwer, ggf. sogar überhaupt nicht umgesetzt werden können. Der mit einer Forschungsmaßnahme verfolgte Zweck der Verarbeitung, z.B. die Ermöglichung der klinischen Arzneimittelzulassung, die Überprüfung der Wirksamkeit neuer Behandlungsmethoden oder die Forschung zu bestimmten Erkrankungen, erfordert keine Identifizierung des Probanden. Die Anzahl der im Rahmen der medizinischen Forschung verarbeiteten Daten ist – je nach Forschungsziel – in der Regel hoch; da die Qualität von medizinischen Studien zudem maßgeblich von einer möglichst hohen Fallzahl abhängig ist. Regelmäßig ist auch eine große Zahl von natürlichen Personen von der Verarbeitung betroffen (Umfang der Verarbeitung). Die Verarbeitung erfolgt ausnahmslos automatisiert, mit Blick auf den Forschungszweck zudem mit dem Ziel, Vergleichbarkeit zwischen den betroffenen Personen herzustellen und diese auch aktiv zu vergleichen. Zudem sind mit Gesundheitsdaten besondere Kategorien personenbezogener Daten mit einem hohen Schutzbedarf von der Verarbeitung betroffen und in aller Regel auch innerhalb des Verantwortlichen zahlreiche Personen mit der Verarbeitung betraut. In zunehmendem Maße werden für zudem Blut- oder Gewebeproben benötigt und damit ggf. auch genetische Daten verarbeitet. Die Forschungsergebnisse werden regelmäßig Dritten gegenüber bekannt gegeben. Oftmals wird den Forschern auch online Zugriff auf die erhobenen Daten gewährt (Umstände der Verarbeitung). Art, Umfang, Umstände und Zwecke der Verarbeitung bedingen insoweit nicht unerhebliche Risiken für die betroffene Person, allen voran der Verlust der Vertraulichkeit von, dem Berufsgeheimnis unterliegenden personenbezogenen Daten (§ 203 StGB). Maßnahmen der Pseudonymisierung können dem entgegenwirken und sind daher grundsätzlich als "erforderliche" technische Schutzmaßnahmen zu etablieren. Soweit im Rahmen der Forschung nicht nur auf selbst erhobene Daten zurückgegriffen wird, sondern, wie in jüngster Zeit vermehrt festzustellen Forschungskooperationen gebildet werden, die deutschland- und z.T. auch europa- oder weltweit agieren, führt dies dazu, dass die personenbezogenen Daten die eigentliche Forschungseinrichtung verlassen, was zusätzliche Sicherungsmaßnahmen, wie etwa die Etablierung von Verschlüsselungstechniken erforderlich macht.
Rz. 19
Patientendaten finden zunehmend auch in der medizinischen Diagnostik Verwendung, etwa, wenn es um Screening-Maßnahmen geht. Hier hat sich in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von Anbietern am Markt etabliert, die Software anbieten, die bei der Erkennung bestimmter Krankheiten oder Krankheitsrisiken unterstützt.