Rz. 103
Im Falle einer Betriebsstilllegung macht das KSchG vom absoluten Kündigungsverbot eine Ausnahme und lässt gem. § 15 Abs. 4 KSchG auch die ordentliche Kündigung zu, sofern keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in einem anderen Betrieb des Unternehmens besteht. Maßgeblich ist allein der Betriebsbegriff des KSchG. § 15 Abs. 4 KSchG ist daher bereits dann anwendbar, wenn ein Betrieb i.S.v. § 1 Abs. 1 S. 1 BetrVG stillgelegt wird. Der frühestmögliche Kündigungstermin ist gem. § 15 Abs. 4 KSchG der Zeitpunkt der Betriebsstilllegung, es sei denn, dass die Kündigung zu einem früheren Zeitpunkt durch zwingende betriebliche Erfordernisse bedingt ist. Das kann z.B. dann der Fall sein, wenn nur noch Restarbeiten zur Abwicklung der Stilllegung auszuführen sind und hierfür bestimmte andere Arbeitnehmer des Betriebs unentbehrlich sind. Erfolgt keine Betriebsstilllegung, weil der Betrieb zuvor veräußert wird, ist die Kündigung wegen des Übergangs auf den Betriebserwerber gem. § 613a Abs. 4 BGB unwirksam.
Rz. 104
Praxishinweis
Der Zeitpunkt der Betriebsstilllegung markiert nur den frühestmöglichen Kündigungstermin, ersetzt jedoch nicht die individuelle Kündigungsfrist. Reicht diese aufgrund vertraglicher, tarifvertraglicher oder gesetzlicher Vorschriften über den geplanten Zeitpunkt der Betriebsstilllegung hinaus, kann das Arbeitsverhältnis erst zu diesem Zeitpunkt beendet werden.
Rz. 105
Bei der Stilllegung einer Betriebsabteilung lässt § 15 Abs. 5 KSchG die ordentliche Kündigung erst dann zu, wenn die geschützte Person nicht in eine andere Betriebsabteilung übernommen werden kann. Die Übernahmepflicht des Arbeitgebers bezieht sich darauf, eine Weiterbeschäftigung zu möglichst gleichwertigen Bedingungen zu gewährleisten. Ist ein gleichwertiger Arbeitsplatz vorhanden und mit einem nicht durch § 15 KSchG geschützten Arbeitnehmer besetzt, muss der Arbeitgeber grundsätzlich versuchen, den Arbeitsplatz durch Umverteilung der Arbeit, Ausübung seines Direktionsrechts oder gegebenenfalls durch Kündigung für den Mandatsträger freizumachen. Ist ein gleichwertiger Arbeitsplatz in der anderen Abteilung nicht vorhanden, ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Mandatsträger, bevor er eine Beendigungskündigung erklärt, die Beschäftigung auf einem geringerwertigen Arbeitsplatz anzubieten und hierzu gegebenenfalls eine Änderungskündigung auszusprechen. Bei der Prüfung der Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten haben die Interessen der über § 15 Abs. 5 KSchG geschützten Person nicht automatisch Vorrang, vielmehr ist eine umfassende Interessenabwägung im Einzelfall vorzunehmen. Ein Anspruch auf Beförderung, also auf einen höherwertigen Arbeitsplatz in einer anderen Betriebsabteilung besteht dagegen nicht. Anderenfalls würde gegen das Verbot der Besserstellung von Betriebsräten gem. § 78 S. 2 BetrVG verstoßen werden, da nicht besonders geschützte Arbeitnehmer bei einem Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit auch keinen Anspruch auf Beförderung haben.
Rz. 106
Vor Ausspruch einer ordentlichen Kündigung nach § 15 Abs. 4 oder 5 BetrVG ist der Betriebsrat gem. § 102 BetrVG anzuhören. § 103 BetrVG ist nicht anwendbar, weil es sich nicht um eine außerordentliche Kündigung handelt. Dies gilt auch im Falle der tariflichen Unkündbarkeit, obwohl hier nur eine außerordentliche Kündigung unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist möglich ist. Allerdings hat das BAG Zweifel an seiner bisherigen Rechtsprechung geäußert, nach der das Arbeitsverhältnis eines tariflich ordentlich Unkündbaren außerordentlich mit einer der fiktiven Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist gekündigt werden kann, obwohl kein wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB vorliegt. Eine Änderung der Rechtsprechung ist daher zu erwarten.