Rz. 30
In sachlicher Hinsicht knüpft der Sonderkündigungsschutz ebenso wie das MuSchG an das Arbeitsverhältnis an und erfasst sowohl ordentliche als auch außerordentliche Kündigungen, Massenkündigungen i.S.v. §§ 17 ff. KSchG sowie Kündigungen im Insolvenzverfahren und Änderungskündigungen. Liegen mehrere Arbeitsverhältnisse vor, kann sich die elternzeitberechtigte Person entscheiden, ob sie die Elternzeit nur in einem oder in allen Arbeitsverhältnissen in Anspruch nehmen will. Selbstständige, freie Mitarbeiter und GmbH-Geschäftsführer unterfallen dagegen nicht dem Sonderkündigungsschutz, da sie in keinem Arbeitsverhältnis stehen und dementsprechend keine Elternzeit verlangen können. Ist die Kündigungsfrist in einem gekündigten Arbeitsverhältnis bereits abgelaufen und beschäftigt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nach erstinstanzlichem Unterliegen lediglich zur Abwehr der Zwangsvollstreckung weiter, würde ein vom Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt gestellter Eltern(teil)zeitantrag ins Leere gehen. Bei der erzwungenen Prozessbeschäftigung fehlt es an einem Arbeitsverhältnis.
Rz. 31
In persönlicher Hinsicht erstreckt sich der Sonderkündigungsschutz auf alle Personen, die berechtigt sind, Elternzeit in Anspruch zu nehmen, vgl. §§ 15, 20 BEEG. Gem. § 15 Abs. 1a BEEG können dies unter bestimmten Voraussetzungen auch Großeltern sein, allerdings dann nicht, sofern bereits einer der Elternteile selbst Elternzeit beansprucht. Auch wenn das Arbeitsverhältnis erst nach der Geburt des Kindes begründet wurde, kann das Kündigungsverbot des § 18 BEEG gelten. Weitergehend als § 17 MuSchG werden in den Anwendungsbereich des § 18 BEEG auch Väter, und zwar leibliche, Stief- und Adoptivväter mit einbezogen. In gleicher Weise gilt dies für den "nichtehelichen Vater", d.h. für den leiblichen Vater, der vom gemeinsamen Sorgerecht keinen Gebrauch gemacht hat, sofern er mit dem zu betreuenden Kind in einem Haushalt lebt, sowie für Stief- und Adoptivmütter und allen Heimarbeiterinnen Gleichgestellten. Zu beachten ist stets, dass die elternzeitberechtigte Person mit dem Kind in einem Familienhaushalt lebt und das Kind selbst betreut und erzieht.
Rz. 32
Der Sonderkündigungsschutz nach § 18 Abs. 1 BEEG greift bereits zu dem Zeitpunkt ein, von dem an Elternzeit verlangt worden ist, frühestens jedoch acht Wochen vor Beginn der Elternzeit. Soll die Elternzeit unmittelbar nach der Geburt des Kindes oder nach der Mutterschutzfrist beginnen, muss sie spätestens sieben Wochen vor Beginn verlangt werden (sonst acht Wochen), § 16 Abs. 1 BEEG. Entscheidend ist also nicht der tatsächliche Beginn der Elternzeit, sondern der Tag der Geltendmachung. Der achtwöchige Vorwirkungszeitraum von § 18 Abs. 1 BEEG richtet sich nach dem prognostizierten Geburtstermin, wenn dieser vor dem tatsächlichen liegt.
Praxishinweis
Will der Arbeitnehmer Elternzeit und Elternteilzeit verknüpfen und stellt er die Inanspruchnahme von Elternzeit unter die Bedingung der Gewährung von Elternteilzeit und lehnt der Arbeitgeber das Teilzeitbegehren ab, liegt kein wirksames Verlangen von Elternzeit i.S.d. § 18 Abs. 1 BEEG vor. In diesem Fall trägt der Arbeitnehmer das Risiko, dass die Bedingung nicht eintritt. Ein zeitweiliger Kündigungsschutz für den Zeitraum zwischen Elternteilzeitverlangen und Ablehnung des Teilzeitbegehrens kommt nicht in Betracht.
Da es für die Rechtmäßigkeit der Kündigung maßgeblich auf den Zugang der Kündigungserklärung ankommt, ist eine arbeitgeberseitige Kündigung wirksam, wenn sie vor dem Verlangen dem Elternzeitberechtigten zugeht, auch wenn die Kündigungsfrist erst innerhalb der Schutzfrist abläuft. Im Fall des § 18 Abs. 2 Nr. 2 BEEG beginnt der Sonderkündigungsschutz mit dem Zeitpunkt, zu dem die Elternzeit frühestens hätte angetreten werden können. Das Kündigungsverbot endet für den Arbeitgeber mit dem Ablauf der Elternzeit, also auch, wenn diese vorzeitig endet. Einen nachwirkenden Kündigungsschutz sieht das BEEG nicht vor.
Rz. 33
Praxishinweis
Der Arbeitgeber darf die Kündigung erst nach Ablauf der Elternzeit aussprechen, d.h., sie darf erst dann zugehen. Spricht der Arbeitgeber eine Kündigung aus, die noch während der Elternzeit zugeht, unterliegt diese dem Kündigungsverbot des § 18 BEEG, auch wenn sie das Arbeitsverhältnis erst nach Ablauf der Elternzeit beenden soll.