Rz. 16
Die Kündigung einer Arbeitnehmerin während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung ist gem. § 17 Abs. 1 S. 1 MuSchG i.V.m. § 134 BGB nichtig. Die Sperre des Kündigungsrechts erfasst grundsätzlich jede Kündigung, also auch eine außerordentliche Kündigung bei einer besonders schweren arbeitsvertraglichen Verletzung, eine Änderungskündigung oder eine Kündigung in der Insolvenz. Eine dennoch erfolgte Kündigung ist offensichtlich unwirksam, sodass die Arbeitnehmerin, noch bevor das Arbeitsgericht zugunsten der Arbeitnehmerin entschieden hat, einen Weiterbeschäftigungsanspruch geltend machen kann und bei Nichtbeschäftigung und Vorliegen der weiteren Voraussetzungen Anspruch auf Annahmeverzugslohn hat.
Wird unter Verstoß gegen das MuSchG einer schwangeren Arbeitnehmerin die Kündigung erklärt, so kann dieses ferner eine Benachteiligung wegen des Geschlechts darstellen und einen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Verbindung mit § 3 Abs. 1 S. 2 AGG und § 1 AGG auslösen. Im Falle einer Kündigung ohne Kenntnis von einer Schwangerschaft im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung, stellt die Kündigung selbst jedoch kein Indiz für eine Benachteiligung wegen des Geschlechts dar. Anders kann der Fall jedoch liegen, wenn der Arbeitgeber in Kenntnis der Schwangerschaft zum wiederholten Male ohne Beteiligung der Schutzbehörde kündigt.
Gem. § 17 Abs. 1 S. 3 MuSchG gilt der Sonderkündigungsschutz entsprechend für Vorbereitungsmaßnahmen. Welche Maßnahmen konkret hiervon betroffen sind, ist durch die nationalen Gerichte noch nicht geklärt. Es ist davon auszugehen, dass lediglich unmittelbare Vorbereitungsmaßnahmen zur Kündigung umfasst würden. Dazu gehört beispielsweise die Einholung der Zustimmung des Betriebsrats oder das Versenden der Kündigung am letzten Tag der Frist des Kündigungsschreibens, auch wenn die Kündigung erst tags darauf zugeht. Maßnahmen, die lediglich mittelbar auch eine Kündigung vorbereiten könnten, sollten nicht umfasst sein. Anderenfalls würde dem Arbeitgeber gegenüber Schwangeren nahezu jegliche arbeitsrechtliche Maßnahme verboten, die in einem Kündigungsrechtsstreit vorgetragen werden könnte. Dementsprechend ist die Erteilung einer Abmahnung nicht von § 17 Abs. 1 S. 3 MuSchG umfasst, da diese zwar auch Voraussetzung für den Beweis eines vorherigen milderen Mittels im Kündigungsrechtsstreit ist, gleichermaßen aber eine Warn- und Hinweisfunktion gegenüber der Arbeitnehmerin verkörpert. Ebenso verzichtet der Arbeitgeber durch den Ausspruch der Abmahnung auf das Aussprechen der Kündigung.
Rz. 17
Aufgrund der zwingenden gesetzlichen Regelung des § 17 MuSchG kann weder vor Ausspruch der Kündigung auf den Kündigungsschutz verzichtet werden, noch kann die Kündigung dahin umgedeutet werden, dass sie erst nach Ablauf der Mutterschutzfrist wirksam werden soll. Ebenso kann eine Kündigung nicht in eine Anfechtung wegen Irrtums oder Täuschung umgedeutet werden.
Rz. 18
Praxishinweis
Das MuSchG bietet keinen Schutz gegen Versetzungen, die Einführung von Kurzarbeit oder andere Änderungen der Arbeitsbedingungen. Eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen durch kollektivrechtliche Regelungen bleibt grundsätzlich möglich.