Patricia Goratsch, Florian Enzensberger
Rz. 143
Die Pflichtteilsentziehungsgründe sind für alle Pflichtteilsberechtigten einheitlich in § 2333 BGB geregelt. Der Kreis der vom Fehlverhalten des Pflichtteilsberechtigten Betroffenen wurde mit der Erbrechtsreform um die Lebenspartner sowie die Stief- und Pflegekinder erweitert. Nach § 2333 Abs. 1 Nr. 4 BGB kann nunmehr dem Pflichtteilsberechtigten der Pflichtteil wirksam entzogen werden, wenn dieser wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung verurteilt wurde. Als zusätzliches Tatbestandsmerkmal muss allerdings hinzukommen, dass die Teilhabe des Pflichtteilsberechtigten am Nachlass deshalb für den Erblasser unzumutbar ist.
Das Gesetz verlangt das Vorliegen einen der in § 2333 BGB abschließend angeführten Entziehungsgründe. Derartige Gründe sind in der Praxis nur selten gegeben.
a) Form und Begründung der Entziehung
Rz. 144
Die Entziehung des Pflichtteils hat nach § 2336 Abs. 1 BGB durch letztwillige Verfügung zu erfolgen. Der Grund der Entziehung muss zur Zeit der Errichtung der letztwilligen Verfügung bestehen und in ihr angegeben werden (§ 2336 Abs. 2 BGB). Dabei fordert der BGH neben der Entziehungserklärung die Angabe eines Sachverhaltskerns, d.h. der individualisierenden Umschreibung der tatsächlichen Vorgänge, auf die der Erblasser die Entziehung stützt. Es reicht nicht aus, wenn der Erblasser aufgrund des Entziehungsgrundes lediglich auf andere, der Testamentsform nicht entsprechende Erklärungen verweist. Die Beweislast für das Vorliegen des vom Erblasser in der letztwilligen Verfügung angegebenen Entziehungsgrundes im Zeitpunkt der Errichtung trifft gem. § 2336 Abs. 3 BGB denjenigen, der sich auf die Entziehung beruft. Der Erblasser kann durch Feststellungsklage sein Entziehungsrecht schon zu seinen Lebzeiten gerichtlich feststellen lassen. Auch der zukünftige Pflichtteilsberechtigte kann bereits zu Lebzeiten die Frage des Vorliegens eines Entziehungsgrundes gerichtlich feststellen lassen.
Rz. 145
Der Grund der Entziehung muss in der Verfügung von Todes wegen angegeben werden (§ 2336 Abs. 2 BGB). Bei der Pflichtteilsentziehung wegen einer Straftat müssen sich auch die Gründe der Unzumutbarkeit für die Teilhabe am Nachlass aus der letztwilligen Verfügung ergeben. Welche Anforderungen an die Darlegung der Gründe für die Unzumutbarkeit zu stellen sind, wird sich nach dem Einzelfall richten, wobei regelmäßig die Schwere der Tat eine Rolle spielen wird. Je gravierender die Tat desto eher wird sich die Unzumutbarkeit bereits aus der Tatbegehung ergeben und desto geringer werden die Anforderungen an die Darlegung der Gründe der Unzumutbarkeit sein. Bislang war es nicht notwendig, subjektive Kriterien in der Verfügung von Todes wegen auszuführen. Die Notwendigkeit, auch zur Frage der Unzumutbarkeit einen konkreten Sachvortrag zu bringen, bedeutet deshalb eine deutliche Erschwerung der Begründung einer Pflichtteilsentziehung. Vor diesem Hintergrund sollten deshalb in der Verfügung von Todes wegen ausführlich und detailliert die Umstände vorgetragen werden, die es für den Erblasser unzumutbar erscheinen lassen, den Pflichtteilsberechtigten am Nachlass zu beteiligen.
b) Verzeihung
Rz. 146
Das Recht zur Entziehung erlischt gem. § 2337 BGB durch Verzeihung. Die Verzeihung braucht nicht durch ausdrückliche Willenserklärung zu erfolgen. Vielmehr erfolgt sie i.d.R. durch tatsächliches Verhalten. Der BGH definiert die Verzeihung als ein kundgetanes Verhalten des Erblassers, die mit der erlittenen Verletzung verbundene Kränkung überwunden zu haben. Folglich genügt also schlüssiges Verhalten, wobei nicht einmal erforderlich ist, dass der Pflichtteilsberechtigte davon weiß. Insbesondere finanzielle Unterstützungshandlungen stellen sich in der Rechtsprechung häufig als Verzeihung dar. Setzt der Abkömmling sein Verhalten trotz der Verzeihung fort, wird dieses spätere Verhalten nicht von der Wirkung des § 2337 BGB erfasst. Die Beweislast für die Verzeihung trägt der Pflichtteilsberechtigte.