Patricia Goratsch, Florian Enzensberger
Rz. 57
Von der Testierfähigkeit zu trennen ist die Testierfreiheit. Diese kann bspw. dadurch eingeschränkt sein, das der Erblasser bereits in einem Erbvertrag oder einer wechselbezüglichen und bindend gewordenen gemeinschaftlichen Verfügung von Todes wegen testiert hat. Bei Vorliegen einer derartigen bindenden Verfügung von Todes wegen sind alle späteren Verfügungen nichtig, wenn sie der früheren letztwilligen Verfügung widersprechen (§§ 2270, 2271 Abs. 1, 2289 Abs. 1 BGB).
Rz. 58
Häufig wissen die Mandanten gar nicht mehr, ob und in welcher Art und Weise sie bereits einmal testiert haben. Es sollte deshalb in jedem Testament zunächst klargestellt werden, dass alle bisherigen Verfügungen von Todes wegen widerrufen werden.
Muster 7.1: Aufhebung früherer Verfügungen
Muster 7.1: Aufhebung früherer Verfügungen
In der freien Verfügung über mein Vermögen von Todes wegen bin ich in keiner Weise beschränkt, insb. bin ich nicht durch einen Erbvertrag mit einem Dritten oder durch ein gemeinschaftliches Testament gebunden. Rein vorsorglich hebe ich hiermit alle bisher von mir getroffenen letztwilligen Verfügungen, seien es notarielle oder privatschriftliche, in vollem Umfange auf und widerrufe sie.
Rz. 59
Bei einem Ehegattentestament liegt eine Bindungswirkung dann vor, wenn es sich um eine wechselbezügliche Verfügung handelt. Dies ist immer dann der Fall, wenn die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die des anderen getroffen worden wäre. Es muss also eine innere Abhängigkeit beider Verfügungen vorliegen. Nach § 2270 Abs. 3 BGB kann aber nur die Erbeinsetzung, das Vermächtnis, die Auflage oder die Wahl des anzuwendenden Erbrechts in einem Ehegattentestament wechselbezüglich und damit bindend sein.
Rz. 60
Die Bindungswirkung eines gemeinschaftlichen Testaments i.S.d. § 2270 Abs. 2 BGB tritt erst mit dem Tod des Erstversterbenden ein. Vor dem Tod ist jeder Ehegatte befugt, durch einseitigen notariellen Widerruf, der dem anderen Ehegatten zugehen muss, das Testament aufzuheben (vgl. §§ 2271 Abs. 1, 2296 BGB).
Praxishinweis
Der Widerruf muss dem anderen Ehegatten in Ausfertigung zugehen. Eine beglaubigte Abschrift reicht nicht! Ferner ist die Zustellung durch den Gerichtsvollzieher empfehlenswert, der darauf hingewiesen werden soll, dass die Original-Ausfertigung und nicht eine beglaubigte Abschrift zuzustellen ist.
Rz. 61
Sofern sich die Ehegatten einig sind, können sie das Testament gemeinsam jederzeit in einem neuen Ehegattentestament widerrufen.
Rz. 62
Mit dem Ableben des erstversterbenden Ehegatten tritt hinsichtlich wechselbezüglicher Verfügungen die Bindungswirkung ein. Der überlebende Ehegatte kann dann die Wechselbezüglichkeit nicht mehr durch einseitige Verfügung beseitigen. Die Bindungswirkung kann der überlebende Ehegatte nur durch Ausschlagung der Erbeinsetzung (§ 2271 Abs. 2 BGB) oder Anfechtung gem. den §§ 2078, 2079 BGB beseitigen. Das OLG Zweibrücken hat aber darauf hingewiesen, dass eine den überlebenden Ehegatten bindende Schlusserbeneinsetzung in einem gemeinschaftlichen Testament nicht dadurch hinfällig und ein späteres widersprechendes Testament des Überlebenden nicht dadurch wirksam wird, dass nach dem Tod des zuletzt verstorbenen Ehegatten die von diesem in dem jüngeren Testament Bedachten als seine Erben die ihm von dem zuerst verstorbenen Ehegatten hinterlassene Erbschaft ausschlagen. Das Recht auszuschlagen, kann nicht aus einer letztwilligen Verfügung hergeleitet werden, die zunächst unwirksam ist und allenfalls infolge der Ausschlagung wirksam werden könnte.
Rz. 63
Auch im Ehegattentestament kann ein Änderungsvorbehalt aufgenommen werden. Die Beseitigung der Bindungswirkung hängt in diesen Fällen stets vom Umfang der Abänderungsklausel ab. Zunächst besteht die Möglichkeit, einen Abänderungsvorbehalt ohne jegliche Einschränkung aufzunehmen. Hierin wird in aller Regel eine Aufhebung der Wechselbezüglichkeit gesehen mit der Konsequenz, dass eine Bindungswirkung nicht besteht. Der BGH hat entschieden, dass durch eine derartige Klausel nicht notwendig die Wechselbezüglichkeit von beiderseitigen Verfügungen ausgeschlossen wird. Unter Umständen kann jedoch eine Auslegung dahingehend vorgenommen werden, dass die Einsetzung des Schlusserben nicht wechselbezüglich sein soll.
Es besteht aber auch die Möglichkeit, lediglich einen eingeschränkten Abänderungsvorbehalt aufzunehmen, bspw. innerhalb der ehegemeinschaftlichen Kinder und deren Abkömmlingen. Dies würde schließlich dazu führen, dass die Bindungswirkung dann nicht besteht, wenn der überlebende Ehegatte einem als Schlusserben eingesetzten gemeinschaftlichen Kind eine Zuwendung macht oder die Schlusserbeneinsetzung innerhalb des Kreises der ehegemeinschaftlichen Kinder abändert.