Rz. 1

Das Schicksal des Nachlasses nach dem Ableben des Erblassers und die Frage, inwieweit die von ihm in einer letztwilligen Verfügung getroffenen Anordnungen befolgt werden, hängen von dem Verhalten der Erben bzw. Vermächtnisnehmer ab. Oft haben Erblasser den Wunsch, auf das Schicksal des Nachlasses nach ihrem Tod über einen bestimmten Zeitraum noch Einfluss zu nehmen (z.B. bis ihre Abkömmlinge ein bestimmtes Alter erreicht haben) oder den Nachlass zu sichern (z.B. die Fortführung von Familienunternehmen). Dieses Ziel versuchen sie durch testamentarische Anordnungen oder Niederlegung ihrer Wünsche in ihrem letzten Willen zu erreichen. Durch einvernehmliche Regelungen können die Erben jedoch von den Anordnungen des Erblassers abweichen, wenn diese nicht in Form einer Auflage getroffen wurden. Hat der Erblasser nur den Wunsch geäußert, sein Unternehmen soll von seinen Kindern fortgeführt werden, können sich die Kinder darüber hinwegsetzen und das Unternehmen veräußern. Auch über eine nur schuldrechtlich wirkende Teilungsanordnung des Erblassers können sich die Erben im Einvernehmen hinwegsetzen.[1] Um die Durchsetzung seines Willens zu sichern, steht dem Erblasser das Rechtsinstitut der Testamentsvollstreckung zur Verfügung.

 

Rz. 2

Ein Motiv für die Anordnung einer Testamentsvollstreckung ist oft auch der Wunsch nach Friedenssicherung und Streitvermeidung, wenn die Erben voraussichtlich nicht zu einer konfliktfreien Abwicklung des Nachlasses im Stande sind.

 

Rz. 3

Gerade bei komplexen Nachlässen, beschränkt geschäftsfähigen oder geschäftsunfähigen Erben, Vermögen im Ausland oder im Ausland lebenden Beteiligten erleichtert die Testamentsvollstreckung außerdem die Nachlassabwicklung. Bei einer Auslandsberührung ist jedoch zu prüfen, ob im jeweiligen Land, zu dem ein Bezug besteht, die Testamentsvollstreckung anerkannt wird.[2]

 

Rz. 4

Eine Dauertestamentsvollstreckung ist sinnvoll bei minderjährigen Erben, wenn der gesetzliche Vertreter von seinem Recht zur Verwaltung des Vermögens ausgeschlossen werden soll.

 

Rz. 5

Die Testamentsvollstreckung kann ferner dazu eingesetzt werden, einem Erben durch die Ernennung zum Testamentsvollstrecker eine Sonderstellung und größere Machtbefugnisse als den übrigen Miterben einzuräumen. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn der überlebende Ehegatte und Abkömmlinge eine Erbengemeinschaft bilden. Durch die Ernennung des überlebenden Ehegatten zum Testamentsvollstrecker kann sichergestellt werden, dass die Anordnungen des Erblassers befolgt und in der Erbengemeinschaft durchgesetzt werden.

 

Rz. 6

Ebenso häufig verbirgt sich hinter der Anordnung einer Testamentsvollstreckung der Wunsch, dass der Nachlass oder Teile des Nachlasses über einen bestimmten Zeitraum von einer sachkundigen Person verwaltet werden. Insbesondere bei Unternehmensbeteiligungen kann ein bestimmter Zeitraum zu überbrücken sein, bis der gewünschte Nachfolger das erforderliche Alter erreicht oder die erforderlichen Kenntnisse erworben hat, um die Nachfolge im Unternehmen zu übernehmen. Bis zu diesem Zeitpunkt besteht ein Handlungsbedarf im Unternehmen, der durch die Anordnung einer Testamentsvollstreckung gedeckt werden kann. Ferner kommt die Testamentsvollstreckung im unternehmerischen Bereich in Betracht, wenn die Erben zur Unternehmensführung (noch) nicht in der Lage oder willens sind, so dass das Bedürfnis besteht, eine erfahrene Person mit der Fortführung des Unternehmens oder dessen Veräußerung zu betrauen. Steht aus Sicht des Erblassers noch nicht fest, welche von mehreren Personen in der Lage ist, das Unternehmen fortzuführen, kann er dieses einer noch unbestimmten Person aus einem bestimmten Personenkreis (z.B. den Abkömmlingen) vermachen, indem er ein Vermächtnis aussetzt und den Testamentsvollstrecker anweist, den Bedachten auszuwählen.[3]

 

Rz. 7

Ein weiteres Gestaltungsziel, das mit Hilfe der Testamentsvollstreckung erreicht werden kann, ist der Ausschluss des Vollstreckungszugriffs von Eigengläubigern des Erben auf den Nachlass. Dies ist in den Fällen des sog. Behinderten- oder Bedürftigentestaments[4] oder des Überschuldetentestaments[5] maßgebliches Ziel. Der Nachlass geht mit dem Erbfall in das Eigentum des Erben über (§ 1922 Abs. 1 BGB). Durch die Anordnung einer Testamentsvollstreckung bildet der Nachlass jedoch ein vom sonstigen Vermögen getrennt zu verwaltendes Sondervermögen.[6] Die Eigengläubiger des Erben können nach § 2214 BGB nicht auf die der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegenden Nachlassgegenstände zugreifen.

 

Rz. 8

In den Fallgestaltungen des Behinderten- bzw. Bedürftigentestaments geht es darum, dem behinderten bzw. bedürftigen Erben kein Vermögen zukommen zu lassen, auf das der Sozialhilfeträger zugreifen kann. Dies wird zum einen durch die Anordnung einer Vor- und Nacherbfolge erreicht, wodurch der Nachlass gem. § 2115 BGB i.V.m. § 773 ZPO vor einem Zugriff geschützt wird.[7]

 

Rz. 9

Dasselbe gilt im Fall des Überschuldetentestaments. Auch hier wird eine Vollstreckung von Eigengläubi...

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