Gundolf Rüge, Dr. iur. Marcus Hartmann
Rz. 6
Die Haftung für Umweltschäden nach dem Umwelthaftungsgesetz ist als reine Gefährdungshaftung ausgestaltet. Der Inhaber bestimmter umweltgefährdender Anlagen haftet ohne Verschulden für die reine Anlagengefahr. Haftungsgrund auch dieser Gefährdungshaftung ist der Rechtsgedanke, dass derjenige, der im eigenen Interesse eine Gefahrenquelle schafft und beherrscht, auch für Schäden einstehen soll, die aus dieser Gefahr entstehen und die trotz aller Sorgfalt nicht zu vermeiden sind. Spezieller Haftungsgrund der Umweltgefährdungshaftung ist die anlagentypische Umweltgefahr. Die Haftung umfasst alle Umwelteinwirkungen der Anlage, sei es aus dem Normalbetrieb oder aus Störfällen, aus typischen oder untypischen, bekannten oder unbekannten Risiken (auch Entwicklungsrisiken) der Anlage, also auch aus anderen als denjenigen Gefahren, weswegen die Anlage in den Katalog des Anhangs 1 aufgenommen wurde. Die Genehmigung zum Betrieb der Anlage schließt die Haftung nicht aus, die fehlende Genehmigung verschärft sie nicht. Der Normalbetrieb ist nach § 6 Abs. 2 UmweltHG nur durch den Ausschluss der Ursachenvermutung des § 6 Abs. 1 privilegiert.
Rz. 7
Nach § 1 UmweltHG haftet der Inhaber, nicht dagegen der Betreiber (wie bei § 14 BlmSchG oder § 89 Abs. 2 WHG) einer der in Anhang 1 zu § 1 UmweltHG genannten Anlagen für Körper-, Gesundheits- und Sachschäden, die infolge von Umwelteinwirkungen, die von der Anlage ausgehen, entstehen. Diese Aufzählung versetzt den Inhaber einer im Anhang genannten Anlage von vornherein in Kenntnis, dass er der verschuldensunabhängigen Gefährdungshaftung nach dem UmweltHG unterliegt. Nur dann kann er für den Schadensersatzfall Vorsorge treffen, etwa durch Rücklagen oder durch den Abschluss einer ausreichenden Versicherung. Nicht erforderlich ist, dass die Anlage – schon oder noch – in Betrieb ist (vgl. § 2 UmweltHG) oder sie rechtswidrig betrieben wird. Der Anspruch setzt also voraus: Jemand verfügt über eine im Katalog Anhang 1 genannte Anlage, von der Umwelteinwirkungen ausgehen, durch die ein Mensch getötet oder verletzt oder eine fremde Sache beschädigt wird.
Rz. 8
Anlagen sind ortsfeste Einrichtungen wie Betriebsstätten und Lager (§ 3 Abs. 2 UmweltHG). Zu den Anlagen gehören gemäß § 3 Abs. 3 UmweltHG ferner Maschinen, Geräte, Fahrzeuge und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Nebeneinrichtungen, die mit der Anlage oder einem Anlagenteil in räumlichem oder betriebswirtschaftlichem Zusammenhang stehen und die für das Entstehen von Umwelteinwirkungen bedeutsam sein können. Dieser Anlagenbegriff entspricht weitgehend demjenigen nach § 3 Abs. 5 BImSchG, wogegen sonst im Umweltrecht ein einheitlicher Anlagenbegriff fehlt. Auf die Dauerhaftigkeit des Betriebs oder die Betriebsfähigkeit der Anlage kommt es nicht an. Keine Anlagen in diesem Sinne sind frei bewegliche Behältnisse wie Fahrzeuge, Tankwagen und Güterwaggons, es sei denn, sie transportieren Stoffe innerhalb einer Anlage oder diese Behältnisse werden vom Transportmittel zum Lagerbehälter umgewidmet. Schädigungen im Zusammenhang mit dem Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln oder Klärschlämmen sind daher einer Anlage im Sinne der §§ 1, 3 UmweltHG nicht zuzuordnen.
Rz. 9
Inhaber (vgl. auch die Ausführungen zu § 2 Abs. 1 HaftpflG § 3 Rdn 90) der Anlage ist derjenige, der die Anlage auf eigene Rechnung benutzt bzw. in Gebrauch hat, die hierfür erforderliche Verfügungsgewalt besitzt und die Kosten für den Unterhalt aufbringt. Der Inhaberstatus ist nicht dispositiv. Deshalb hat die vertragliche Übertragung von Inhaberpflichten auf Dritte im Bereich der Gefährdungshaftung nach dem UmweltHG keine haftungsbegrenzende Wirkung, weil diese wesensmäßig nicht an Verhaltenspflichten, sondern an die Gefährlichkeit des Anlagenbetriebs anknüpft. Organschaftlich handelnde Personen eines Unternehmens sind nicht persönlich Anlageninhaber, da sie die Verfügungsgewalt nicht auf eigene Rechnung ausüben; vielmehr ist die vertretene juristische Person Anlageninhaberin. Bei Konzernen kann das Umwelthaftungsrisiko auf eine konzernzugehörige Gesellschaft beschränkt werden, indem einer Betriebsgesellschaft Produktionsbereiche mit potenziell eintretender Umwelthaftung überlassen werden und diese Gesellschaft die Anlage auf eigene Rechnung und Kosten sowie mit der entsprechenden Verfügungsgewalt nutzt, also weisungsfrei hinsichtlich der technischen und wirtschaftlichen Ausstattung und des Einsatzes der Anlage ist. Die Sicherungsübereignung einer Anlage berührt die Inhaberschaft nicht, weil der Sicherungsgeber die schadensträchtige Anlage weiter auf eigene Rechnung und Kosten nutzt und die Verfügungsgewalt behält.
Rz. 10
Umwelteinwirkungen sind Einwirkungen, das heißt sinnlich wahrnehmbare, unwägbare Beeinträchtigungen, die sich auf Sachen schädigend oder auf Personen durch Störung des gesundheitlichen oder körperlichen Wohlbefindens zumindest belästigend auswirken, durch Stoffe, ...