Rz. 12

Im Haftungsrecht wird zwischen haftungsbegründender und haftungsausfüllender (schadensbegründender) Kausalität differenziert. Beide Kausalbeziehungen unterscheiden sich dadurch, dass die haftungsbegründende Kausalität Tatbestandsmerkmal ist, während die haftungsausfüllende Kausalität dem Schaden zugeordnet wird (vgl. § 2 Rdn 154 f.).

 

Rz. 13

Die Umwelthaftung setzt als haftungsbegründende Kausalität den Ursachenzusammenhang zwischen Umwelteinwirkung und Personen- oder Sachbeeinträchtigung voraus. Hierfür müssen zwei (Teil-)Kausalitäten bestehen.[40] Zunächst muss festgestellt werden, ob von einer bestimmten Anlage eine Umwelteinwirkung ausgegangen ist (Einwirkungskausalität).[41] Umstände hierfür ergeben sich entweder aus sinnlichen Wahrnehmungen oder bekannten Tatsachen und sind – gegebenenfalls mit Hilfe des Auskunftsanspruches des Geschädigten nach § 8 Abs. 1 gegen den Anlageninhaber bzw. nach § 9 gegen die Genehmigungs- oder Überwachungsbehörde[42] – erleichtert festzustellen. Die Einwirkungskausalität kann über den Anscheinsbeweis (siehe dazu unten Rdn 15) oder im Wege des Indizienbeweises belegt werden. Von besonderer Bedeutung ist beim Indizienbeweis der Nachweis sachlich, räumlich und zeitlich paralleler Schadensfälle, die im Wege einer Gesamtschau zu würdigen sind.[43]

 

Rz. 14

Sodann muss ermittelt werden, ob diese Umwelteinwirkung eine bestimmte Rechtsgutverletzung herbeigeführt hat (Verletzungskausalität).[44] Vor Inkrafttreten des Umwelthaftungsgesetzes bildete die schwierige Beweislage des Geschädigten ein Kardinalproblem. Dieser Beweisnot versucht § 6 Abs. 1 UmweltHG abzuhelfen, indem eine widerlegbare Ursachenvermutung für die Verletzungskausalität aufgestellt wird, die jedoch nicht für den Normalbetrieb der Anlage gilt (§ 6 Abs. 2 UmweltHG). Darin liegt faktisch eine Haftung für den vermuteten Störfall.[45] Nach § 6 Abs. 1 UmweltHG greift die Ursachenvermutung dann, wenn eine Anlage nach den Gegebenheiten des Einzelfalles – abstrakt und konkret – geeignet ist, den entstandenen Schaden zu verursachen, was im Prozess entsprechende Feststellungen erfordert.[46] Mit anderen Worten: Bei Schädigungseignung der Anlage für den konkret eingetretenen Schaden wird die Schadensverursachung durch die Anlage vermutet.

 

Rz. 15

Der Geschädigte hat allerdings die Beweislast für die Schädigungseignung zu tragen. Er muss zunächst die abstrakte und konkrete Schädigungseignung der Anlage vortragen und beweisen.[47] Die abstrakte Schädigungseignung bedeutet, dass eine Anlage ihrer Art nach überhaupt Schäden dieser Art verursachen kann. Die konkrete Schädigungseignung bedeutet, dass die Anlage nach den konkreten Gegebenheiten des Einzelfalles geeignet sein muss, einen Schaden dieser Art zu verursachen, wofür es vor allem auf die räumlichen und zeitlichen Gegebenheiten ankommt, etwa auf die zeitliche Nähe oder Distanz zwischen dem Emissionsvorgang und dem Schadensfall und die Wetterbedingungen im Zeitpunkt der schädlichen Emissionen.[48] Denn potenziell umweltgefährdende Anlagen können nicht losgelöst von den Gegebenheiten ihrer Umgebung betrachtet werden, so dass es dem Inhaber durchaus zuzurechnen ist, wenn die Emissionen nur unter bestimmten meteorologischen Umständen schädlich sind.[49] Die weiteren Kriterien für die Beurteilung der Schädigungseignung enthält § 6 Abs. 1 S. 2 UmweltHG. Diese Ursachenvermutung bedeutet wegen der Beweislast des Geschädigten für die Schädigungseignung nur eine eingeschränkte Beweiserleichterung. Denn die Einzeltatsachen, die die Eignung der Anlage begründen, sind regelmäßig schwer zu beweisen.[50] Gegebenenfalls hilft dem Geschädigten der Anscheinsbeweis, wenn ein Sachverhalt vorliegt, der nach der Lebenserfahrung regelmäßig auf einen bestimmten Verlauf hinweist und so sehr das Gepräge des Üblichen und Gewöhnlichen trägt, dass die besonderen Umstände des einzelnen Falles in ihrer Bedeutung zurücktreten.[51] Schließlich bleiben dem Anspruchsteller noch die Auskunftsansprüche nach §§ 810 UmweltHG,[52] um erhebliche Umstände zu ermitteln.

 

Rz. 16

Die Ursachenvermutung des § 6 Abs. 1 UmweltHG ist ausgeschlossen, wenn die Anlage bestimmungsgemäß betrieben wurde (§ 6 Abs. 2 UmweltHG) oder wenn Alternativursachen zur Verursachung des Schadens geeignet sind (§ 7 Abs. 1 und 2 UmweltHG). Die Beweislast für diese Ausschlusstatbestände trägt der Anlageninhaber. Der Bundesgerichtshof hat an den Beweis der diese Ursachenvermutung ausschließenden Tatbestände des bestimmungsgemäßen Betriebs der Anlage und der Alternativursache hohe Maßstäbe angelegt.[53]

 

Rz. 17

Ein bestimmungsgemäßer Betrieb der Anlage (Normalbetrieb) liegt nach § 6 Abs. 2 S. 2 UmweltHG vor, wenn die besonderen Betriebspflichten nach § 6 Abs. 3 und 4 UmweltHG eingehalten worden sind und keine Störung des Betriebs (Störfall) vorliegt. Dazu sind die besonderen Betriebspflichten des Anlageninhabers umfassend vorzutragen und festzustellen. Nach § 6 Abs. 4 UmweltHG wird die Einhaltung der besonderen Betriebspflichten einer Anlage vermute...

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