Rz. 20
Die eine Fallgruppe für die Anpassung des Abfindungsvergleichs bildet der Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB). Die Darlegungs- und Beweislast trifft insoweit den Geschädigten. Zu einer Anpassung berechtigt nicht jede nachträgliche Änderung der Tatsachen, die dem Vergleich als Kalkulationsgrundlage zugrunde gelegt worden sind. Wer eine Kapitalabfindung wählt, nimmt vielmehr das Risiko in Kauf, dass maßgebliche Berechnungsfaktoren auf Schätzungen und unsicheren Prognosen beruhten. Der Schädiger darf sich darauf verlassen, dass mit Begleichung der Kapitalabfindung, die gerade auch zukünftige Entwicklungen einschließen solle, die Sache für ihn ein für allemal erledigt ist. Soweit der Geschädigte das Risiko in Kauf nimmt, dass die für die Berechnung des Ausgleichsbetrages maßgebenden Faktoren auf Schätzungen und unsicheren Prognosen beruhen und sie sich demgemäß unvorhersehbar positiv oder negativ verändern können, ist ihm die Berufung auf eine Veränderung der Vergleichsgrundlage verwehrt.
Rz. 21
Ob und in welchem Umfang der Geschädigte das Risiko künftiger Veränderungen übernommen hat, ist durch Auslegung der getroffenen Vereinbarung zu ermitteln. Gehen die Vertragspartner einer Abfindungsvereinbarung davon aus, eine bestimmte Drittleistung – z.B. die dem Kläger aufgrund der unfallbedingten Frühpensionierung zustehende Pension – sei Bestandteil der dem Geschädigten unfallbedingt zufließenden Ausgleichsmittel, und muss der Schädiger bzw. sein Haftpflichtversicherer diese Leistungen sogar im Regresswege erstatten, so ist ein Ausschluss der Risikoübernahme durch den Geschädigten unter Umständen zwar möglich, jedoch bei Abgabe einer umfassenden und vorbehaltlosen Abfindungserklärung ein Ausnahmefall, der konkreter Darlegung durch den Geschädigten bedarf. Ein von Anfang an bestehender Irrtum beider Parteien über einen wesentlichen Berechnungsfaktor erleichtert jedoch die Anpassung eines Abfindungsvergleichs.
Rz. 22
Maßgeblich ist ggf. auch, ob es sich um Verletzungen/Spätschäden handelt, die von den Parteien bei Abschluss des Abfindungsvergleiches weder erwartet worden sind noch erkannt werden konnten. Entscheidend ist insoweit die Sichtweise eines objektiven Dritten als einem verständigen und redlichen Vertragspartner. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob die Parteien den möglichen Eintritt derartiger Spätfolgen zum Vertragszeitpunkt unter Heranziehung von Fachleuten hätten erkennen können. War dies der Fall, kommt eine Vertragsanpassung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage kaum noch in Betracht.