Rz. 10
Gem. § 209 BGB wird der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet. Praktisch hat dies zur Folge, dass die Verjährungsfrist um den Hemmungszeitraum zu verlängern ist.
Die Gründe für eine Hemmung der Verjährung nach allgemeinem Schuldrecht finden sich in den §§ 203–211 BGB. Bei der Bearbeitung von verkehrsrechtlichen Mandanten sind folgende Tatbestände von Relevanz:
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Hemmung der Verjährung bei Verhandlungen über den Anspruch gem. § 203 BGB, |
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Hemmung der Verjährung durch Rechtsverfolgung gem. § 204 BGB, insbesondere |
Im Rahmen der Verjährungshemmung wird ein Zeitraum in die Verjährungsfrist nur dann nicht eingerechnet, wenn er nach deren Beginn verstrichen ist. Liegen die Voraussetzungen eines Hemmungstatbestands ausschließlich vor Beginn der Verjährung vor, ist dieser bei Berechnung der Verjährungsfrist nicht zu berücksichtigen.
Rz. 11
Eine präzisierende Regelung enthält § 115 Abs. 2 S. 3 VVG für den Direktanspruch des Geschädigten gegenüber dem Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherer. Die Hemmung beginnt hier, sobald der Geschädigte seinen Anspruch gem. § 119 Abs. 1 VVG in Textform bei dem Versicherer angemeldet hat, und endet mit dem ebenfalls in Textform zu erfolgenden Zugang dessen Entscheidung über seine Eintrittspflicht. Der maßgebliche Begriff der Textform ist in § 126b BGB legal definiert und umfasst z.B. auch die Versendung per E-Mail oder SMS. Die inhaltlichen Anforderungen an eine verjährungshemmende Anmeldung sind nicht hoch; es reicht aus, dass der Geschädigte zu erkennen gibt, ernsthaft vom Versicherer Schadensersatz zu fordern. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob sich der angemeldete Schadensersatzanspruch nur auf einzelne Schadenspositionen bezieht. Denn die Anmeldung führt zur Hemmung der Verjährung sämtlicher auch bislang noch nicht angemeldeter, aber voraussehbarer Schadensersatzpositionen. § 115 Abs. 2 S. 3 VVG betrifft jedoch nur die erstmalige Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber dem Versicherer. Gem. § 115 Abs. 2 S. 4 VVG wirkt die Hemmung bzw. der Neubeginn der Verjährung auch gegenüber dem gem. § 7 StVG ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer.
Gem. § 115 Abs. 2 S. 3 VVG (§ 3 Nr. 3 S. 1 PflVG aF) ist die Verjährung bis zum Eingang der schriftlichen Entscheidung des Versicherers gehemmt, wenn der Anspruch des Dritten bei dem Versicherer angemeldet worden ist. Zwar kann nicht nur eine ablehnende, sondern auch eine anspruchsbejahende, für den Geschädigten positive Erklärung des Versicherers eine Entscheidung in diesem Sinne darstellen. Eine positive Entscheidung des Versicherers beendet die Verjährungshemmung im Sinne des § 115 Abs. 2 S. 3 VVG jedoch nur dann, wenn der Anspruchsteller aufgrund dieser Entscheidung sicher sein kann, dass auch künftige Forderungen aus dem Schadensfall freiwillig bezahlt werden, sofern er die entsprechenden Schadensposten der Höhe nach ausreichend belegt. Demgemäß muss die Erklärung zu den Ansprüchen erschöpfend, umfassend und endgültig sein. Dabei hängt die Wertung, ob eine Erklärung des Versicherers den insoweit maßgeblichen Anforderungen genügt, wesentlich von der Würdigung der Umstände des Einzelfalls ab. Die schriftliche vorbehaltlose Erklärung des Versicherers, zukünftige Schäden mit einer Haftungsquote von 75 % zu regulieren, ist eine Entscheidung i.S.d. § 115 Abs. 2 S. 3 VVG und beendet die Hemmung der Verjährung.
Eine vorbehaltlose Ersatzleistung auf einzelne Schadenspositionen enthält zunächst lediglich ein Anerkenntnis im Sinne des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Ein derartiges Anerkenntnis, das zu einem Neubeginn der Verjährung des Gesamtanspruchs zu führen vermag, ist aber einer die Verjährungshemmung des § 115 Abs. 2 S. 3 VVG beendenden Entscheidung nicht ohne weiteres gleichzusetzen. Verjährungsneubeginn und Verjährungshemmung können in entsprechenden Fällen nebeneinander treten. Die zum Wegfall der Verjährungshemmung führende anspruchsbejahende Erklärung des Versicherers muss nicht nur ein Anerkenntnis im Sinne des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB umfassen, sondern dem Geschädigten auch umfassend und endgültig Klarheit über die Einstandsbereitschaft des Versicherers hinsichtlich aller in Betracht kommenden Schadenspositionen geben. Hierfür reicht eine vorbehaltlose Ersatzleistung auf eine Schadensposition noch nicht aus.