a) Allgemeines
Rz. 112
Im Gegensatz zur Vorschrift des § 225 BGB a.F., die nur eine Erleichterung, nicht aber einen Ausschluss oder eine Erschwerung der Verjährung zuließ, ist das neue Recht der Verjährung von (verjährbaren) Ansprüchen (§§ 194 ff. BGB) grds. insgesamt nachgiebig, sodass es der allgemeinen Vertragsfreiheit der beteiligten Parteien unterliegt.
Nach § 202 Abs. 1 BGB ist eine rechtsgeschäftliche Verjährungserleichterung unwirksam, wenn sie im Voraus eine Haftung wegen Vorsatzes betrifft (vgl. § 276 Abs. 3 BGB); eine nachträgliche, nach Entstehung des Anspruchs vereinbarte Verjährungserleichterung bei Haftung wegen Vorsatzes ist dagegen grds. zulässig. Gem. § 202 Abs. 2 BGB kann eine Erschwerung der Verjährung – bis zu einer Verjährungsfrist von 30 Jahren ab dem gesetzlichen Verjährungsbeginn – vereinbart werden. Verzichtserklärungen ohne zeitliche Einschränkung sind also nach der Gesetzeslage nicht wirksam, können aber durchaus als auf 30 Jahre begrenzt ausgelegt werden.
Eine Abrede, die diese Grenzen der Vertragsfreiheit überschreitet, ist nach § 134 BGB nichtig; in diesem Fall gilt das gesetzliche Verjährungsrecht.
b) Inhalt einer Verjährungsvereinbarung
Rz. 113
Gegenstand einer Verjährungsabrede können sein
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eine Verkürzung oder Verlängerung der gesetzlichen Verjährungsfrist einschließlich der Höchstfristen, wobei auch eine bereits abgelaufene Verjährungsfrist noch wirksam verlängert werden kann; |
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die Festlegung eines früheren oder späteren Verjährungsbeginns, wobei anstelle des § 199 Abs. 1 BGB grds. ein nicht von der Kenntnis, sondern von objektiven Umständen abhängiger Verjährungsbeginn vereinbart werden kann; |
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eine Einschränkung oder Erweiterung von gesetzlichen Gründen der Verjährungshemmung oder des Neubeginns der Verjährung; |
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die Vereinbarung einer Ausschlussfrist. |
Rz. 114
Darüber hinaus ist i.R.d. § 202 BGB – anders als nach § 225 Satz 1 BGB a.F. – ein Verzicht auf die Einrede der Verjährung vor deren Vollendung zulässig; dementsprechend kann – wie bisher – auch während des Laufs einer Verjährungsfrist für eine bestimmte Zeit sowie nach Eintritt der Verjährung auf die Verjährungseinrede verzichtet werden (vgl. Rdn 71).
Rz. 115
I.d.R. wird sich eine Abrede über die Verjährung eines bestimmten Anspruchs auf konkurrierende oder alternative Ansprüche erstrecken; letztlich ist dies eine Frage der Auslegung einer unklaren Vereinbarung (für AGB-Klausel: § 305c Abs. 2, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB).
c) Zeitpunkt und Form einer Verjährungsvereinbarung
Rz. 116
Verjährungsvereinbarungen sind nach Sinn und Zweck des § 202 BGB nicht an einen bestimmten Zeitpunkt gebunden, sodass sie sowohl vor Entstehung des Anspruchs eine noch nicht laufende Verjährungsfrist als auch nachträglich eine bereits laufende Verjährungsfrist betreffen können, also vor oder nach Beginn der Verjährung geschlossen werden können.
Eine Verjährungsabrede bedarf keiner Form.
d) Leitlinie für Verjährungsvereinbarung
Rz. 117
Verjährungsvereinbarungen i.S.d. § 202 BGB – im Einzelfall oder in AGB – haben die Grenzen der Vertragsfreiheit zu beachten (§§ 134, 138, 242, 305 ff. BGB; vgl. Rdn 124 ff.).
Leitlinie für eine wirksame Verjährungsabrede muss die in §§ 194 ff. BGB zum Ausdruck kommende "Grundentscheidung" des Gesetzgebers sein. Dieser hat unter Abwägung der Interessen des Gläubigers und des Schuldners sowie unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses an Rechtsfrieden und -sicherheit grds. dahin entschieden, dass
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einerseits der Gläubiger i.R.d. Regelverjährung mit dem kenntnisabhängigen Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§§ 195, 199 Abs. 1 BGB) typischerweise die faire Chance erhalten soll, seinen Anspruch durchzusetzen, |
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andererseits zugunsten des Schuldners kenntnisunabhängige Verjährungshöchstfristen von zehn oder 30 Jahren gelten sollen (vgl. Rdn 61 ff.). |
Allerdings hat der Gesetzgeber auch die Vertragsfreiheit i.R.d. Verjährungsrechts erweitert.