Rz. 77
Nach § 204 Abs. 1 BGB wird durch 14 Maßnahmen der Rechtsverfolgung die Verjährung eines Anspruchs gehemmt.
Im Folgenden werden die für die Rechtsberaterhaftung wichtigsten Hemmungsgründe der Rechtsverfolgung erörtert.
a) Klage (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB)
Rz. 78
Die Erhebung der Klage auf Leistung oder Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass des Vollstreckungsurteils hemmt die Verjährung (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB).
Rz. 79
Eine wirksame Klage des Berechtigten wird erhoben durch Zustellung der Klageschrift an den Schuldner (§ 253 ZPO); diese hat für die Verjährung Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Einreichung der Klage bei Gericht, wenn die Zustellung demnächst erfolgt (§ 167 ZPO). Daran ändert eine Verzögerung der Zustellung nichts, wenn der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter nach den Gesamtumständen das Zumutbare für eine alsbaldige Zustellung getan haben.
Die Klageerhebung hemmt die Verjährung auch dann, wenn die Anspruchsvoraussetzungen in der Klageschrift nicht schlüssig und substanziiert dargelegt werden oder wenn bei Einreichung der Klage noch nicht alle Anspruchsvoraussetzungen vorliegen. Auch eine – z.B. wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses – unzulässige Klage hemmt die Verjährung (vgl. § 212 Abs. 1 BGB a.F.).
Rz. 80
Eine Stufenklage (§ 254 ZPO) mit einem unbezifferten Leistungsantrag hemmt die Verjährung des Anspruchs in jeder Höhe, wenn nur der Leistungsantrag überhaupt gestellt wird; wird der Zahlungsanspruch nach Erfüllung der Hilfsansprüche in einer bestimmten Höhe beziffert, so beschränken sich Rechtshängigkeit und Verjährungshemmung auf diese Anspruchshöhe.
Rz. 81
Der Umfang der Verjährungshemmung richtet sich nach dem Streitgegenstand der Klage, der durch den Klageantrag und den zu seiner Begründung vorgetragenen Lebenssachverhalt bestimmt wird. Der den Streitgegenstand bildende prozessuale Leistungsanspruch umfasst alle materiell-rechtlichen Ansprüche, die den Klageantrag begründen können; kann die vom Kläger behauptete Rechtsfolge aus mehreren Anspruchsgrundlagen hergeleitet werden, so wird auch die Verjährung der nicht ausdrücklich genannten Ansprüche gehemmt (vgl. auch § 213 BGB).
Rz. 82
Wird ein Anspruch auf Schadensersatz eingeklagt, so erstreckt sich der Streitgegenstand auf die Pflicht zum Schadensersatz schlechthin, nicht auf einzelne Formen des Ersatzbegehrens je nach Stand der Schadensentwicklung (z.B. Zahlungsklage und Anspruch auf Freistellung von einer Verbindlichkeit). Das gilt auch für den Wechsel vom Vertrauensschaden zum Erfüllungsinteresse. Die Klageerhebung hemmt allerdings nur die Verjährung der Ansprüche in der Gestalt und im Umfang des Streitgegenstandes; daran ändert der Grundsatz, dass der aus einem bestimmten Ereignis entstandene Schaden verjährungsrechtlich grds. eine Einheit ist (vgl. Rdn 33 ff.), nichts. Das gilt insb. auch dann, wenn es sich um mehrere voneinander abgrenzbare Pflichtverletzungen handelt; in diesem Fall ist die Verjährung für jede Pflichtverletzung separat zu prüfen und eine Klage hemmt auch nur in entsprechendem Umfang.
Rz. 83
Wird mit einer Klage von Anfang an ein bestimmter Anspruch in vollem Umfang geltend gemacht, so erstreckt sich die Verjährungshemmung auf eine Änderung des Umfangs und der Auslegung des Klageanspruchs, wenn der Anspruchsgrund unverändert bleibt. Das gilt auch für einen Mehrschadensbetrag, der erst im Laufe des Rechtsstreits infolge Änderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse entsteht und geltend gemacht wird. In einem solchen Fall bleibt der Anspruch seinem Grund und seiner Rechtsnatur nach wesensgleich.
Bei einer "verdeckten Teilklage", bei der weder für den Beklagten noch für das Gericht erkennbar ist, dass die bezifferte Forderung nicht dem Gesamtschaden entspricht, wird die Verjährung des Anspruchs nur im beantragten Umfang gehemmt; der Kläger darf zwar nachträglich Mehrforderungen geltend machen, jedoch ist die Verjährung des nachgeschobenen Anspruchsteils selbstständig zu beurteilen.
Rz. 84
Die Hemmungswirkung der Klage bleibt auch nach deren Rücknahme oder Abweisung durch Prozessurteil erhalten, wie sich aus dem Wegfall des § 212 BGB a.F. ergibt.