Rz. 33

Für den Schaden aus einer einmaligen, einheitlichen, abgeschlossenen Schadensursache[101] gilt der Grundsatz der Schadenseinheit;[102] danach ist der aus einem bestimmten Ereignis erwachsene Schaden als ein einheitliches Ganzes aufzufassen, das auch alle weiteren adäquat verursachten, zurechenbaren und als möglich voraussehbaren Spätfolgen umfasst.[103] Das bedeutet, dass die Verjährung beginnen kann, sobald der Geschädigte irgendeinen solchen (Teil-)Schaden kennt; damit gelten auch die weiteren Schadensfolgen als bekannt.[104]

Der Grundsatz, dass die Nachteile aus einem bestimmten – abgeschlossenen – Schadensereignis eine rechtliche Einheit bilden, beruht letztlich darauf, dass Rechtsklarheit und -sicherheit es gebieten, den Verjährungsbeginn für alle Schadensfolgen möglichst auf einen einheitlichen Zeitpunkt festzulegen.[105] Danach kann bei einem sich nach und nach entwickelnden Schaden aus ein und derselben Schadenshandlung der Ersatzanspruch bereits verjährt sein, bevor sich Spätfolgen einstellen. Dies kann der Geschädigte verhindern, indem er rechtzeitig eine Klage auf Feststellung einreicht, dass der Schädiger verpflichtet ist, alle weiteren – künftigen – Nachteile aus seinem schadensstiftenden Verhalten zu ersetzen. Bei einer solchen Feststellungsklage ist ein großzügiger Beurteilungsmaßstab hinsichtlich der Darlegungen des Geschädigten zur Wahrscheinlichkeit eines Schadens anzulegen.[106] Nur in Ausnahmefällen darf der Grundsatz der Schadenseinheit nach § 242 BGB dann durchbrochen werden, wenn die Berufung auf diesen Grundsatz als Inanspruchnahme einer rein formalen Rechtsposition erscheint, weil der Geschädigte unverhältnismäßig zugunsten des Schädigers belastet wird.[107]

 

Rz. 34

Die Fortdauer des Schadenszustandes allein ist kein neuer Folgeschaden und beruht auch nicht auf Wiederholungen der schadenstiftenden Handlung.[108] Das gilt auch dann, wenn eine Wiederholung derselben Pflichtverletzung – nochmals – denselben Schaden auslöst.[109] Eine vollendete Verjährung erstreckt sich auf solche späteren Schadensfolgen.

 

Rz. 35

Bei einer natürlichen Handlungseinheit mit zeitversetzten Teilakten beginnt die Verjährung eines Ersatzanspruchs für Schäden, die in späteren Zeitabschnitten entstehen, nicht schon mit der Kenntnis des Geschädigten vom Eintritt irgendeines Schadens, sondern frühestens jeweils mit Beendigung des einzelnen Zeitabschnitts oder mit Abschluss des schädigenden Handelns insgesamt.[110]

 

Rz. 36

Zu einem einheitlichen Schaden aus einem bestimmten Ereignis gehören keine unvorhersehbaren Folgeschäden; der Anspruch auf Ersatz solcher Schäden kann erst von dem Zeitpunkt an verjähren, in dem der Geschädigte von ihnen und ihrem Urheber erfährt.[111]

[101] Als Bsp. für eine solche abgeschlossene Verletzungshandlung schon BGH, NJW 1973, 2285.
[102] Dazu eingehend Kleutgens, S. 143 ff.
[103] BGHZ 50, 21, 23 f. = NJW 1968, 1324; BGHZ 100, 228, 232 = NJW 1987, 1887; BGHZ 114, 150, 155 = NJW 1991, 2828; BGH, NJW 1993, 1139, 1141 und BGH, NJW 1993, 1320, 1321; BGH, WM 1996, 1106, 1107; BGH, WM 1998, 779, 780 und BGH, WM 1998, 786, 788; BGH, NJW 2002, 1414, 1415 = WM 2002, 1078, 1080; BGH, 7.2.2008 – IX ZR 198/06, WM 2008, 1612, 1615 (Tz. 31) = NJW-RR 2008, 1508, 1510; BGH, 1.7.2010 – IX ZR 117/09, JurionRS 2010, 19214; BGH, 23.4.2015 – IX ZR 176/12, DB 2015, 1282; BGH, 15.11.2018 – IX ZR 61/18, juris; zum Verjährungsbeginn bei unvorhersehbaren Spätfolgen: BGH, NJW 2000, 861, 862.; vgl. auch BGH, 6.6.2008 – V ZR 52/07, WM 2008, 1797 = NJW 2008, 2912 und für die Arzthaftung OLG Koblenz, 24.2.2015 – 5 U 1320/14, NJW 2015, 2894.
[104] BGH, NJW 1991, 973; BGH, WM 1997, 2187, 2188; BGH, WM 2008, 1612 (einheitlicher Schaden, wenn das FA aufgrund eines Gewerbesteuermessbescheids mehrere hierauf gegründete Steuerbescheide für verschiedene Jahre erlässt). Krit. zur Schadenseinheit bei kenntnisabhängiger Verjährung Borgmann, NJW 2015, 3349, 3355.
[105] BGH, NJW 1991, 973, 974; BGH, WM 1997, 2187, 2188.
[106] BGH, 26.7.2018 – I ZR 274/16, NJW-RR 2018, 1301 = WM 2018, 1591.
[107] BGH, NJW 1991, 973, 974; BGH, WM 1997, 2187, 2188; vgl. Schnaufer, S. 95 ff.
[108] BGH, NJW 1969, 463, für eine ehrverletzende Äußerung.
[109] BGH, 18. 12. 1997 – IX ZR 180/96, NJW 1998, 1488; BGH, WM 2002, 1078, 1080 = NJW 2002, 1414.
[110] BGH, VersR 1972, 1046, 1047, für das Einleiten von Abwasser in Fischwasser; BGH, NJW 1981, 573, für die Vertiefung eines Grundstücks; vgl. BGH, NJW 1973, 2285.
[111] BGH, VersR 1988, 929, 930; BGH, NJW 1991, 973; BGH, WM 1997, 2187, 2188; BGH, NJW 2000, 861, jeweils zu § 852 Abs. 1 BGB a.F.

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