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Davon zu unterscheiden ist eine Situation, in der stets neue Handlungsakte je für sich eine Pflichtverletzung darstellen. Hier beginnt die Verjährung mit jeder Verletzungshandlung neu. Das kann auch für pflichtwidrige Unterlassungen gelten. So geht der BGH von unterschiedlichen Verjährungszeitpunkten aus, wenn die Dürftigkeitseinrede gegen spätere Klageerweiterungen erneut zu erheben ist. Verschweigt ein Berater mehrere voneinander abgrenzbare offenbarungspflichtige Umstände, so liegen mehrere Beratungsfehler mit je eigenem Verjährungsbeginn vor.
Ist der Anwalt dafür verantwortlich, dass unterschiedliche Ansprüche des Mandanten verjährt sind, unterliegt der Regressanspruch jeweils einer gesonderten Verjährungsfrist. Eine Schädigung des Auftraggebers durch mehrere selbstständige Pflichtverletzungen kann z.B. vorliegen, wenn der Anwalt zunächst eine Forderung des Mandanten verjähren lässt und sodann den verjährten Anspruch einklagt; Ansprüche des Mandanten auf Ersatz seiner Vermögenseinbußen infolge der Forderungsverjährung und der Kosten des aussichtslosen Rechtsstreits können dann verjährungsrechtlich verschiedene Wege gehen. Das gilt erst recht, wenn zunächst eine aussichtlose Klage erhoben wird und der Anspruch des Mandanten sodann gegen einen anderen Anspruchsgegner verjährt. Beruhen hingegen Klageeinreichung und Einlegung von Rechtsmitteln auf einer einheitlichen rechtlichen Fehleinschätzung, liegt nur eine Pflichtverletzung mit einem einheitlichen Verjährungsbeginn vor. Reicht ein Steuerberater falsche Jahresumsatzsteueranmeldungen seines Auftraggebers ein, so handelt es sich jeweils um eine selbstständige Schädigung; der zugrunde liegende Rechtsirrtum des Beraters verbindet die jährlich wiederholten Pflichtverletzungen nicht zu einer einheitlichen Schadenshandlung.
Mehrere wiederholte Eingriffe sah der III. Zivilsenat des BGH bei einem Amtshaftungsanspruch wegen Verzögerung einer Grundbucheintragung, sodass der Schaden hinsichtlich einzelner Zinszeiträume unterschiedlich verjähren würde. Für das Berufungsgericht handelte es sich um eine einheitliche Dauerhandlung, wobei es den Verjährungsbeginn aber erst bei Beendigung dieser Dauerhandlung annehmen wollte. Beide Ansichten führen zur Aufweichung der Grundsätze der Schadenseinheit. Hier wäre es richtig gewesen, die Pflichtverletzung mit der ersten vorgeworfenen Verzögerung anzunehmen und den Schadenseintritt am ersten dadurch verursachten nicht mehr rückgängig zu machenden Zinsschaden festzumachen.
Reklamiert der Anleger ggü. seinem Finanzberater mehrere Aufklärungs- und Beratungsfehler, kommt es für die Verjährung auf die Kenntnis des jeweiligen Fehlers an; diese sind also je für sich selbstständig zu behandeln.
Insgesamt wird man also durchaus davon sprechen können, dass die Rechtsprechung der verschiedenen BGH-Senate zur Anlageberatung, zur Amtshaftung und zur sonstigen Vertragshaftung bei der Frage, unter welchen Umständen Schadenersatzansprüche verjähren, wenn mehrere Handlungen und/oder mehrere Schadenfolgen vorliegen, durchaus mit der Rechtsprechung des IX. Zivilsenat zur Anwalts- und Steuerberaterhaftung parallel läuft, wenn man einmal von Ausnahmefällen absieht.