Rz. 44

Bei einem Schadensersatzanspruch gegen einen Rechtsberater erlangt der Geschädigte Kenntnis von der Person des ersatzpflichtigen Schuldners, sobald er den Namen und die Anschrift des Schädigers sowie so viele Umstände des Tathergangs erfährt, dass er die Verantwortlichkeit des haftpflichtigen Rechtsberaters im Klagewege begründen kann.[161] Einem Geschädigten, der nur die Geschäftsanschrift des Schädigers im Ausland kennt, ist eine Klage vor einem deutschen Gericht, deren Zustellung im Ausland ungewiss ist, nicht zuzumuten.[162] Eine Bank hat grds. die Obliegenheit, die ihr bei Abschluss eines Bürgschaftsvertrages angegebene Anschrift des Bürgen zeitnah zu überprüfen.[163]

 

Rz. 45

Für die Kenntnis von der Person des Schädigers kann genügen

die Übermittlung der Anklage gegen den Schädiger an den Geschädigten;[164]
die Vernehmung des Geschädigten als Zeuge in einem Strafverfahren bei einfach gelagertem Sachverhalt;[165]
die Einsicht in die Akte des Strafverfahrens gegen den Schädiger.[166]

Andererseits muss es bei außergewöhnlich schwierigem Sachverhalt für eine Kenntnis i.S.d. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB nach den maßgeblichen Umständen des Einzelfalls nicht ausreichen, dass der Geschädigte bzw. sein gesetzlicher Vertreter die Anklageschrift sowie Ermittlungsakten einsieht und von der Eröffnung des Hauptverfahrens erfährt.[167]

Verstirbt der ersatzpflichtige Schädiger, so erstreckt sich die Kenntnis i.S.d. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht auf die Person des – gem. §§ 1967, 2058 BGB haftenden – Erben.[168]

 

Rz. 46

Haften mehrere Schädiger, so kann die Verjährung der Ersatzansprüche gegen jeden einzelnen Schädiger beginnen, sobald der Geschädigte jeweils weiß, dass es sich um einen ersatzpflichtigen Schuldner, also um eine für den Schaden verantwortliche Person handelt;[169] insoweit dürfen keine begründeten Zweifel mehr bestehen.[170] Haftet ein Broker für sittenwidrige Börsentermingeschäfte mit, liegt die notwendige Kenntnis erst vor, wenn der Geschädigte die Umstände kennt, die gerade den Broker als Haftenden in Betracht kommen lassen.[171]

[161] BGH, NJW-RR 1990, 222, 223; BGH, NJW 1998, 988, 989 = WM 1998, 543; BGH, NJW 2001, 1721, 1722; BGH, WM 2003, 975, 976, jeweils zu § 852 Abs. 1 BGB a.F.; BGH, 23.9.2008 – XI ZR 395/07, WM 2008, 2165, 2166 (Tz. 12) = NJW 2009, 587; vgl. dazu im Einzelnen Schnaufer, S. 124 ff.
[162] BGH, NJW 1998, 988, 989 = WM 1998, 543.
[163] BGH, 23.9.2008 – XI ZR 395/07, WM 2008, 2165 = NJW 2009, 587 – im konkreten Fall gelang es dem Beklagten (Bürgen) aber dennoch nicht, der Bank die notwendige grob fahrlässige Unkenntnis nachzuweisen.
[164] BGH, VersR 1983, 273.
[165] BGH, NJW 1994, 3092, 3093.
[166] BGH, NJW-RR 1990, 222, 223.
[167] BGH, NJW-RR 2005, 69, 70, zu § 852 Abs. 1 BGB a.F.
[168] OLG Neustadt, MDR 1963, 413, zu § 852 Abs. 1 BGB a.F.
[169] BGH, VersR 1963, 285, 286; BGH, NJW-RR 1990, 222, 223; BGH, NJW 2001, 964 f. = WM 2001, 1026.
[170] BGH, NJW 1999, 2734, 2735 = WM 1999, 1844.
[171] BGH, 25.1.2011 – XI ZR 106/09, WM 2011, 735.

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