Rz. 69
Das neue Recht der Verjährungshemmung (§§ 203 ff. BGB) übernimmt aus dem alten Recht (§§ 202 ff. BGB a.F.) die Gliederung in tatsächliche, rechtliche und familiäre Hemmungsgründe sowie deren Wirkung. Ggü. dem alten Recht werden die Tatbestände der Verjährungshemmung erheblich erweitert, insb. – unter entsprechender Einschränkung der alten Unterbrechungsgründe (§§ 208 ff. BGB a.F.) – durch die für die Praxis bedeutsamen Maßnahmen der Rechtsverfolgung (§ 204 BGB).
1. Verhandlungen (§ 203 BGB)
Rz. 70
Der Rechtsgedanke des § 852 Abs. 2 BGB a.F. führt in § 203 BGB zu einer allgemeinen Regelung der Verjährungshemmung durch Verhandlungen, um deren Zweck, Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden, nicht unter den Zeitdruck einer ablaufenden Verjährungsfrist zu setzen. Nach § 203 Satz 1 BGB ist die Verjährung gehemmt, wenn zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände schweben, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Darunter fallen alle Ansprüche, die nach BGB verjähren, gleichgültig, ob sie der Regel- oder einer Sonderverjährung unterliegen. Zur Hemmung führen aber nur Verhandlungen in der Zeit nach Anlaufen der Verjährungsfrist. Liegen die Voraussetzungen für die Hemmung schon vorher vor, wird der entsprechende Zeitraum bei der Berechnung der Frist nicht berücksichtigt. Umgekehrt können auch keine Verhandlungen mehr hemmen, wenn sie nach Eintritt der Verjährung stattgefunden haben, auch wenn die Parteien sich über den Verjährungseintritt im Unklaren waren. Schlafen Verhandlungen ein, werden sie aber später wieder aufgenommen, ist die Zwischenzeit nicht zur Verjährungshemmung zu zählen; die wiederaufgenommenen Verhandlungen wirken also nicht auf schon einmal zuvor geführte und dann beendete Verhandlungen zurück.
Rz. 71
Verzichtet der Schuldner während des Laufs der Verjährungsfrist für eine bestimmte Zeit auf die Verjährungseinrede (vgl. Rdn 114), so wird dadurch eine Verjährungshemmung gem. § 203 BGB grds. nicht berührt.
a) Begriff der Verhandlung
Rz. 72
Verhandlungen i.S.d. § 203 Satz 1 BGB sind in weitem Sinne zu verstehen. In Fortführung der Rechtsprechung zu § 852 Abs. 2 BGB a.F. genügt jeder Meinungsaustausch über den Anspruch oder die anspruchsbegründenden Umstände, sofern nicht eine entsprechende Erörterung oder jede Leistung sofort und eindeutig abgelehnt wird; Verhandlungen schweben schon dann, wenn der Schuldner Erklärungen abgibt, die dem Gläubiger die Annahme gestatten, der Schuldner lasse sich auf eine Erörterung der Berechtigung des Anspruchs ein, ohne dass eine Vergleichsbereitschaft oder ein Entgegenkommen angezeigt werden muss. Die Ankündigung des Anwalts, seinen Haftpflichtversicherer zu informieren, bedeutet kein Verhandeln und führt dementsprechend nicht zur Verjährungshemmung.
b) Gegenstand der Verhandlung
Rz. 73
Verhandlungen i.S.d. § 203 BGB müssen nicht einen Anspruch aus einer bestimmten Rechtsgrundlage betreffen. Da Gegenstand der Verhandlungen auch "die den Anspruch begründenden Umstände" (vgl. Rdn 40) sein können, genügt es, wenn der Gläubiger die Befriedigung eines Interesses aus einem bestimmten Sachverhalt begehrt. Verhandlungen erstrecken sich i.d.R. auch auf Ansprüche i.S.d. § 213 BGB.
Die Verjährungshemmung erfasst einen abtrennbaren Teil eines Anspruchs ausnahmsweise dann nicht, wenn die Parteien nur über den anderen Teil verhandeln.
Die Fälle des § 639 Abs. 2 BGB a.F. fallen nunmehr unter § 203 BGB.
Dur...