Rz. 33
Schwierig kann es sein, wenn ein Vorerbe die Immobilie verkaufen will.
Die Vor- und Nacherbschaft bezieht sich auf das Vermögen des Erblassers (samt Verbindlichkeiten), das zum Zeitpunkt des Erbfalls besteht und in der Regel im Ganzen auf den Vorerben übergeht, § 1922 BGB.
Rz. 34
Die übergegangene Erbschaft wird zu einem Vermögen des Vorerben, und zwar zu einem gesonderten Vermögen, das im Interesse der Nacherben und Nachlassgläubigern besonderen rechtlichen Regelungen unterliegt. Der Vorerbe hat dieses Sondervermögen, von seinem weiteren Vermögen, welches er bereits hat und das nicht der Vor- und Nacherbschaft unterliegt, abzugrenzen.
Hinweis
Die den Vorerben einschränkenden Bestimmungen sind unterschiedlich stark – je nachdem, ob der Erblasser verfügt hat, dass der Vorerbe ein befreiter ist oder nicht.
Rz. 35
Der Vorerbe darf im Grunde über Nachlassgegenstände frei verfügen, § 2112 BGB. Das gilt jedoch nicht für jede Art des Vermögens. Der Vorerbe darf z.B. über Grundstücke und Grundpfandrechte nicht frei verfügen, § 2113 Abs. 1 BGB, und so z.B. keine Schenkungen über Grundstücke oder Miteigentumsanteile daran tätigen. Geschieht eine solche Verfügung trotzdem ohne die Zustimmung der Nacherben, würde diese mit dem Eintritt des Nacherbfalls unwirksam.
Rz. 36
Der befreite Vorerbe hingegen kann ohne die Zustimmung der Nacherben voll entgeltlich eine Immobilie verkaufen. Die Rechtstellung als Vorerbe fällt später zwingend weg. Das kann durch den Eintritt des vom Erblasser angeordneten Nacherbfalls geschehen, z.B. zu einem bestimmten Datum oder mit dem Zeitpunkt des Todes des Vorerben. Das kann (selten) auch durch den gesetzlichen Fristablauf, den § 2109 BGB vorgibt (die Nacherbschaft wird unwirksam, sollten 30 Jahre nach dem eingetretenen Erbfall verstrichen, die Nacherbfolge zuvor nicht bereits eingetreten sein und keine Ausnahme greifen, die § 2109 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 bestimmt), passieren. Tritt der gesetzliche Fristablauf ein, wird damit der Nachlass zu einem freien Vermögen des Vorerben, wenn nicht eine Ausnahme nach § 2109 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 greift.
Hinweis
Der Vorerbe ist ein Erbe auf Zeit, weil mit Eintritt des Nacherbfalls seine Erbenstellung endet und dadurch der Nacherbe unmittelbar Erbe des Erblassers, der die Vorerbschaft angeordnet hat, wird (§ 2100 BGB).
Rz. 37
Der Nachlass muss in einem Zustand herausgegeben werden, der sich bis dahin aus fortgesetzter ordentlicher Verwaltung ergibt, § 2130 Abs. 1 BGB. Für Schäden einer nicht ordnungsgemäßen Verwaltung kann Schadenersatz für den Nacherben entstehen, auch wenn der befreite Vorerbe ein Grundstück nicht vollentgeltlich veräußert hat (§ 2133 Abs. 2 BGB).
Der Vorerbe kann über Gegenstände des Vorerbschaft-Nachlasses verfügen, soweit nicht die Beschränkungen aus den §§ 2113–2115 BGB dagegenstehen. Er kann aber nicht beliebig verfahren, wenn ein zur Erbschaft gehörendes Grundstück oder Recht daran verkauft werden soll.
Rz. 38
Bei Eintritt der Nacherbfolge sind Verfügungen des Vorerben über das Grundstück oder Recht daran insoweit unwirksam, als sie das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen.
Das betrifft insbesondere
▪ |
dingliche Auflassungen oder Einigungen, |
▪ |
Belastungen, |
▪ |
Inhaltsänderungen. |
Für den Erwerber einer Immobilie, der von einem Vorerben erwirbt, ist das riskant. Später – bei Eintritt des Nacherbfalls – könnte möglicherweise ein Nacherbe die Grundbuchberichtigung und Rückgabe der Immobilie verlangen. Das verkompliziert Immobilienkaufverträge, die unter Beteiligung eines Vorerben geschlossen werden. Das Erreichen der verfahrensrechtlichen grundbuchlichen Löschung eines eingetragenen Vor- und Nacherbenvermerks bereitet der Praxis seit langer Zeit Probleme.
Rz. 39
Der Nacherbenvermerk bewirkt keine absolute Grundbuchsperre. Das Grundbuchamt kann Anträge aller Art ohne Rücksicht auf die Nacherbschaft und ohne Prüfung ihrer Wirksamkeit vollziehen, soweit es sich nicht um Löschungen von Rechten handelt. Dabei spielt keine Rolle, ob
▪ |
die Verfügung des Eigentümers entgeltlich oder unentgeltlich ist und |
▪ |
ob der Eigentümer ein befreiter Vorerbe oder ein nicht befreiter Vorerbe ist. |
Schuldrechtliche und dingliche Veräußerungen durch den Vorerben sind möglich.
Rz. 40
Durch den Nacherbenvermerk werden die Nacherben vor einem Rechtsverlust, der eintreten könnte, geschützt, wenn ein gutgläubiger Dritter die Immobilie erwirbt und auf den grundbuchlichen Inhalt (ohne Vermerk) vertraut, §§ 892 Abs. 1, 2113 Abs. 3 BGB.
Die Eintragung des Nacherbenvermerks ist eine amtliche Bekanntmachung. Durch diese Verlautbarung kann der Erwerber der Immobilie erkennen, dass der Eigentümer als Vorerbe Verfügungsbeschränkungen unterliegt. Beim Kaufvertrag ist eine Gestaltung, die sicherstellt, dass der Erwerber nach Eintritt des Nacherbfalls seine Immobilie nicht an Nacherben seines Veräußerers herausgegeben muss, auch im Interesse des Erwerbers.
Hinweis
Der Notar wird auf eine Lösung hinwirken, die den Erwerber dauerhaft zum Eigentümer macht und...