Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 293
Wer Unterhalt beansprucht, muss auf die Vermögensinteressen des Pflichtigen Rücksicht nehmen. Der den Unterhalt geltend machende Ehegatte hat alles zu unterlassen, was dem anderen die Erfüllung seiner Unterhaltspflicht erschwert oder unmöglich macht. Setzt er sich mutwillig über diese Verpflichtungen hinweg, kann dieses Verhalten den Härtegrund nach § 1579 Nr. 5 BGB erfüllen und zur Verwirkung seines Anspruchs führen.
Rz. 294
Erforderlich ist jedoch ein gravierendes Fehlverhalten und stellt dabei nicht allein auf den Umfang der Vermögensgefährdung ab, sondern auch auf die Intensität der Pflichtverletzung. Ausreichend kann deshalb sein, dass eine erhebliche Steigerung des unterhaltsrelevanten Einkommens seit Abschluss eines Vergleichs ungefragt verschwiegen wird und der unterhaltspflichtige Ehegatte Gefahr läuft, bereits geleisteten Unterhalt nicht zurückfordern zu können.
Rz. 295
Der Eintritt eines Vermögensschadens ist nicht erforderlich, vielmehr reicht eine Vermögensgefährdung aus.
Die Erstattung von Strafanzeigen durch den Unterhaltsberechtigten ist dann nicht mutwillig, wenn sie der Wahrnehmung berechtigter Interessen dienen. Bei der Billigkeitsabwägung im Einzelfall sind Art und Umfang der erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe, die Begleitumstände und die Motivation des Anzeigenden zu berücksichtigen.
Lediglich dann, wenn die Vorwürfe so unspezifisch waren, dass es schon gar nicht zur Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen gegen den Unterhaltsberechtigten kam, kann von einem unterhaltsrechtlich unschädlichen untauglichen Versuch ausgegangen werden.
Erstattet der Unterhaltsberechtigte Strafanzeige wegen Steuervergehen, deutet der Umstand, dass die Anzeige viele Jahre zurückliegende Vorgänge betrifft, von denen Aufklärung keine Verbesserung der aktuellen unterhaltsrechtlichen Position erwartet werden kann, deutet darauf hin, dass die Strafanzeige bewusst erstattet wurde.
Rz. 296
Eine Selbstanzeige beim Finanzamt wegen möglicher Steuerhinterziehung, die auch Auswirkung auf die Veranlagung des Ehegatten hat, ist regelmäßig nicht genügend, wenn die Auswirkungen zwar zu einer Verringerung des Vermögens führen, nicht aber nicht zu einer Gefährdung im Ganzen. Der anzeigende Ehegatte wird jedoch als verpflichtet angesehen, vor einer Selbstanzeige den Ehegatten vorab zu informieren, um ihm die Möglichkeit zu eröffnen, sich anzuschließen. Sogar bei einer berechtigten Selbstanzeige eines Ehegatten hat dieser im Regelfall aufgrund des Gebots der (nach)ehelichen Solidarität den anderen Ehegatten vorab zu informieren, um ihm die Möglichkeit zu eröffnen, sich der Selbstanzeige anzuschließen.
Rz. 297
Der in Unterhaltsverfahren nicht seltene Hinweis auf "Schwarzgeldeinnahmen" erfolgt regelmäßig in Wahrnehmung berechtigter Interessen und verletzt nicht dessen schützenswerte Vermögensinteressen.
Rz. 298
Abhebungen von einem gemeinsamen Konto erfüllen nicht den Tatbestand, auch wenn diese zu einer Überziehung des Girokontos führen, denn bei einem gemeinsamen Konto der Eheleute sind beide berechtigt, Abhebungen vorzunehmen, um den Lebensbedarf zu decken. Im Innenverhältnis der Parteien unberechtigt vorgenommene Verfügungen sind im Rahmen eines Gesamtschuldnerausgleichs zu berücksichtigen und führen nicht zur Verwirkung.
Rz. 299
Die Weigerung der Unterhaltsberechtigten, ihren Miteigentumsanteil an einer Immobilie an den Pflichtigen gegen Haftungsfreistellung zu übertragen, stellt keinen Verwirkungsgrund gem. § 1579 Nr. 5 BGB dar, auch wenn die Gefahr besteht, dass ein Teilungsversteigerungsverfahren durchgeführt werden muss.
Zitat
Durch Verschweigen von Einkommenssteigerungen der Berechtigten nach Abschluss eines Unterhaltsvergleiches kann der Unterhaltsanspruch nach § 1579 Nr. 5 BGB verwirken.
Die in dieser Bestimmung angesprochenen Vermögensinteressen werden nur gegen solche Verletzungen geschützt, die ein erhebliches Gewicht haben. Sie sind dann schwerwiegend, wenn die wirtschaftliche Lage des Unterhaltspflichtigen nachhaltig beeinträchtigt und dadurch seine Leistungsfähigkeit erheblich vermindert wird (vgl. Hollinger in: juris PK-BGB, 7. Aufl., 2014, § 1579 BGB n 127 m.w.N.). Die unterlassene Rücksichtnahme auf die Vermögensinteressen des Verpflichteten muss schwerwiegend sein und mindestens zu einer Gefährdung mit einem besonderen Gewicht geführt haben. Das ist nur dann der Fall, wenn, anders als hier, die wirtschaftliche Grundlage des Verpflichteten nicht nur messbar, sondern nicht unerheblich nachhaltig beeinträchtigt wird, und sie seine Leistungsunfähigkeit erheblich erschweren oder unmöglich machen kann (vgl. Maurer in: MüKo-BGB, 6. Aufl., § 179 Rn 35 m.w.N.). Dass die Bezahlung der Benzinkosten durch die Antragstellerin die wirtschaftliche Lage des Antragsgegners nachteilig beeinträchtigt und dadurch seine Leistungsfähigkeit erheblich hätte mindern können, hat der Antragsge...