Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 232
Die Möglichkeit, einen titulierten Unterhalt ggf. rückwirkend herabzusetzen, führt nicht automatisch dazu, dass bereits geleisteter Unterhalt zurückgezahlt wird.
Zu unterscheiden ist folglich zwischen der Möglichkeit, den bereits titulierten Unterhalt rückwirkend herabzusetzen und der Möglichkeit, entsprechenden überzahlten Unterhalt zurückzufordern.
Rz. 233
Ein solcher Rückzahlungsanspruch ergibt sich nach Wegfall des Titels aus Bereicherungsrecht gem. § 812 BGB. Diesem Anspruch kann aber der Wegfall der Bereicherung entgegengehalten werden.
Rz. 234
Regelmäßig sind erhaltene Unterhaltsleistungen bereits verbraucht – besonders dann, wenn dem Unterhaltsempfänger keine sonstigen finanziellen Mittel zur Deckung seines laufenden Lebensunterhalts zur Verfügung standen.
Rz. 235
Die Rechtsprechung geht hier zusätzlich von einer Beweiserleichterung zugunsten des Berechtigten aus, wenn aus der Überzahlung keine besonderen Rücklagen oder Vermögensvorteile angeschafft wurden. Gerade bei unteren und mittleren Einkommen spreche die Lebenserfahrung dafür, dass das Erhaltene für eine Verbesserung des Lebensstandards ausgegeben wurde, ohne dass der Bereicherte einen besonderen Verwendungsnachweis erbringen musste. Nur wenn der Unterhaltsgläubiger mit den Überzahlungen zwar seinen Lebensunterhalt finanziert hat, hierdurch aber gleichzeitig die Möglichkeit hatte, mit anderen Ersparnissen Vermögen zu bilden, z.B. ein Fahrzeug anzuschaffen oder Schulden zu tilgen, dann wurde er nicht als entreichert angesehen. Voraussetzung ist, dass der überzahlte Unterhalt kausal für den anderen Vermögensvorteil war.
Rz. 236
Damit besteht praktisch immer das Risiko, dass spätere – begründete – Rückzahlungsansprüche scheitern.
Rz. 237
Der Einwand des Wegfalls der Bereicherung ist nur dann mit Sicherheit versperrt, wenn sich der Berechtigte in der sog. verschärften Haftung befand (§§ 818 Abs. 4, 819, 820 BGB).
Die verschärfte Haftung erfordert nach den strengen bereicherungsrechtlichen Regeln die Kenntnis vorn Fehlen des Rechtsgrunds der Unterhaltsleistung, und der sich daraus ergebenden Folgen. Erforderlich ist positives Wissen vom fehlenden Rechtsgrund; die bloße Kenntnis von Tatsachen, auf denen das Fehlen des Rechtsgrundes beruht, reicht nicht aus.
Rz. 238
Gem. § 241 FamFG löst jedoch bereits die Rechtshängigkeit eines auf Herabsetzung gerichteten Abänderungsantrags die Wirkungen des § 818 Abs. 4 BGB aus. Die negative Mahnung alleine genügt jedoch – trotz der Rückwirkung gem. § 1613 BGB – nicht, um die verschärfte bereicherungsrechtliche Haftung des Unterhaltsempfängers auszulösen.
Rz. 239
Praxistipp
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Zudem verschafft die verschärfte Haftung gem. § 241 FamFG nach Einleitung eines Abänderungsverfahrens dem Unterhaltsschuldner noch keinen Titel auf Rückzahlung des überzahlten Unterhaltes! |
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Der Unterhaltspflichtige muss daher auf jeden Fall versuchen, so schnell wie möglich ein Abänderungsverfahren gem. §§ 238, 239 FamFG einzuleiten und darin die Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Titel gem. § 242 FamFG i.V.m. § 769 ZPO zu erreichen, um eine weitere Vollstreckung zu verhindern. |
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Denn auch ein erfolgreich gerichtlich durchgesetzter Rückforderungsanspruch führt nicht zwingend dazu, dass auch später das überzahlte Geld tatsächlich zurückerlangt werden kann. Selbst bei Bestehen eines Rückzahlungsanspruchs ist beim Unterhaltsempfänger oftmals "nichts zu holen". |
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Eine Aufrechnung mit den Rückzahlungsansprüchen gegenüber zukünftigen Unterhaltsansprüchen scheitert am Aufrechnungsverbot (§ 400, § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO). |