Dr. K. Jan Schiffer, Eberhard Rott
Rz. 18
Als das größte Problem der stundenmäßigen Vergütung wird die Höhe des Stundensatzes des Testamentsvollstreckers gesehen. Birk schlägt für anwaltliche Testamentsvollstrecker einen Stundensatz von 120 EUR zuzüglich Umsatzsteuer vor. Er orientiert sich dabei am durchschnittlichen Stundensatz eines Rechtsanwaltes, wobei er auf das Statistische Berichtssystem für Rechtsanwälte (STAR) bezogen auf das Wirtschaftsjahr 1997 zurückgreift. Dieser pauschale Ansatz greift bereits vom Ansatz her zu kurz und wird dem Differenzierungsgebot nicht gerecht. Anwaltliche Stundensätze differieren sehr stark. Sie hängen von vielen Faktoren ab, beispielsweise vom örtlichen Marktgefüge, von der Größe der Kanzlei, der Zahl der Beschäftigten, der vorgehaltenen Infrastruktur, dem bearbeiteten Rechtsgebiet, aber auch der Reputation und den individuellen Erfahrungen des jeweiligen Anwaltes. Auch die Nachlässe unterscheiden sich in ihrer Zusammensetzung und der Qualität der erforderlichen Arbeit sehr stark. Einen "Regelsatz" für einen als Testamentsvollstrecker tätigen Rechtsanwalt kann es daher nicht geben, dies würde auch der Angemessenheitsbetrachtung im Rahmen des § 2221 BGB nicht gerecht. Immerhin geht es auf die Entscheidung des jeweiligen Erblassers zurück, wenn er einen konkreten Rechtsanwalt mit der Testamentsvollstreckung beauftragt.
Im Bereich der Rechtsanwälte, die eine Vorsorgebevollmächtigung übernommen haben, ist dieser Gedanke bereits umgesetzt. So gehen die Empfehlungen des VorsorgeAnwalt e.V. für anwaltliche Übernahme einer Vorsorgebevollmächtigung von einem Stundensatz von 100 EUR bis 300 EUR aus. Zu berücksichtigen sein wird im konkreten Einzelfall auch immer die Struktur der jeweils beauftragten Anwaltsorganisation. Höhere Stundensätze sind dann gerechtfertigt, wenn ein komplettes Anwaltsbüro mit qualifizierten Mitarbeitern unterhalten wird und diese auch im Bereich der Testamentsvollstreckung eingesetzt werden (bspw. für die Fertigung von Schriftsätzen, Telefonaten, Recherchen im Internet, Grundbuchabfragen, zur Aktenführung, Vorbereitung von Steuererklärungen u.a.). Werden diese Leistungen nicht vorgehalten oder in der Testamentsvollstreckung nicht eingesetzt, bspw. weil der Testamentsvollstrecker seine Leistungen außerhalb seiner Sozietät erbringt und dabei jeden Schriftsatz selbst in den Computer eingibt, ist dies mit einer entsprechenden Reduzierung des Stundensatzes zu berücksichtigen.
Rz. 19
Praxishinweis
Aktuell belaufen sich die üblichen Stundensätze für Rechtsanwälte typischerweise zwischen 190 EUR und 400 EUR, wobei sie in Einzelfällen auch deutlich darüber liegen und nach unseren Erfahrungen in besonderen Themenbereichen und bei ganz großen Werten auch bis zu 1.000 EUR erreichen.
Hierzu einige Leitsätze aus der Rechtsprechung:
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Anwaltliche Stundensätze von 260 EUR bzw. 225 EUR für angestellte Rechtsanwälte sind nicht zu beanstanden. Sie sind ortsüblich (konkret: Spezialisierung im Wirtschaftsrecht). |
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Ein Stundensatz bis zu 250 EUR in der Vergütungsvereinbarung mit einem Strafverteidiger begegnet keinen Bedenken. |
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Eine mit einem Rechtsanwalt geschlossene Honorarvereinbarung zu einem Stundensatz von höchstens 400 EUR ist nicht sittenwidrig. |
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Für die beratende Tätigkeit eines Anwaltes (Durchsetzung einer Forderung) beträgt eine ortsübliche Vergütung (Bielefeld) 190 EUR netto pro Stunde. |
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Soll die Abrechnung auf der Basis eines mittleren Stundenhonorars für Rechtsanwälte erfolgen, waren im Jahr 2004 Stundensätze zwischen 150 EUR und 350 EUR üblich. Eine Leistungsbestimmung nach §§ 315, 316 BGB auf einen Stundensatz von 200 EUR zzgl. MwSt für eine Rechtsanwältin als Vorsorgebevollmächtigte ist daher nicht zu beanstanden. |
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Stundensatz eines Rechtsanwaltes (Strafverteidiger, Fachanwalt, Lehrbeauftragter) in Höhe von 500 DM (im Jahr 2000) ist nicht zu beanstanden, auch nicht die Abrechnung von 1.941 Fotokopien mit je 1 DM. |
Rz. 20
Geht man von dem Fall aus, dass der Erblasser die Person des Testamentsvollstreckers konkret bestimmt hat, erscheinen auch höhere Stundensätze denkbar, beispielsweise wenn ein besonders spezialisierter Wirtschaftsanwalt tätig werden soll. Die Beurteilung der Vergütung im Rahmen des § 2221 BGB ist immer eine Beurteilung der insgesamt angefallenen Vergütung. Ein Wirtschaftsanwalt, der seine Anwaltsstunde mit 750 EUR vergütet erhält, aber parallel dazu Mitarbeiter für Aufgaben einsetzt, die er als Testamentsvollstrecker nicht persönlich erledigen muss, und hierfür beispielsweise 4 Mitarbeiterstunden einsetzt, verursacht letztendlich für 5 Stunden Testamentsvollstreckung auch keine höheren Kosten als ein Rechtsanwalt, der sämtliche Arbeiten zu einem Stundensatz von 150 EUR selbst durchführt. Die Angemessenheitsprüfung im Rahmen des § 2221 BGB kann sich also nicht nur in der Beurteilung der Höhe des anwaltlichen Stundensatzes erschöpfen, sie muss zusätzlich berücksichtigen, welche Aufgaben erledigt wurden. Je mehr Aufgaben (im Rahmen des rechtlich...