Burkhard Engler, Frank-Michael Goebel
Rz. 206
Über die Pflicht zur Auskunft hinaus ist der Schuldner verpflichtet, dem Vollstreckungsgläubiger gem. § 836 Abs. 3 ZPO diejenigen Urkunden herauszugeben, die über die Forderung vorhanden und in seinem Besitze sind. Herauszugeben sind zum einen die Urkunden, deren Vorlage erforderlich ist, um den Anspruchsteller als zur Empfangnahme der Leistung berechtigt zu legitimieren. Zum anderen sind auch diejenigen Urkunden herauszugeben, die die Geltendmachung des Anspruchs, zu der der Vollstreckungsgläubiger verpflichtet ist, wesentlich erleichtern. Die Auskunfts- und Herausgabepflicht nach § 836 Abs. 3 S. 1 ZPO dient den Interessen des Gläubigers, die zur Durchsetzung der Forderung notwendigen Informationen zu erhalten. Der Gläubiger soll in die Lage versetzt werden, die Aussichten einer Drittschuldnerklage überprüfen und notfalls eine solche exakt beziffern zu können. Unnötige und risikobehaftete Drittschuldnerklagen sollen vermieden werden. Aus diesem Sinn und Zweck des § 836 Abs. 3 S. 1 ZPO folgt, dass die Vorschrift weit auszulegen ist.
Rz. 207
Beispiel
Als Urkunden, die zur Geltendmachung der Forderung notwendig sind, sind insbesondere solche anzusehen, die die Forderung selbst ausweisen wie z.B. Schuldschein, Sparbuch, Postsparbuch oder Pfandschein.
Aber auch: Meldekarten, Vollstreckungstitel, Leistungsbescheide des Arbeitsamts, Belege über Ratenzahlungen, Versicherungsscheine, Vertragsurkunden wie z.B. Leistungsverzeichnisse und Ausschreibungsunterlagen, Abtretungsurkunden betreffend Lohn- und Gehaltsansprüche sowie Leistungsbescheide des Arbeitsamts. Hat der Gläubiger Ansprüche des Schuldners auf gegenwärtiges und künftiges Arbeitseinkommen pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen, so hat der Schuldner außer den laufenden Lohnabrechnungen regelmäßig auch die letzten drei Lohnabrechnungen aus der Zeit vor Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Gläubiger herauszugeben. Auf Antrag des Gläubigers muss auch die Pflicht zur Herausgabe sämtlicher Kontoauszüge in dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aufgenommen werden, wenn der Gläubiger Ansprüche des Schuldners gegen ein Kreditinstitut gepfändet hat, die sowohl auf Auszahlung der positiven Salden als auch auf Auszahlung des dem Schuldner eingeräumten Kredits gerichtet sind. Auch zur Erhöhung des Pfändungsfreibetrages auf einem Pfändungsschutzkonto an das Kreditinstituts überreichte Bescheinigungen sind dem Gläubiger herauszugeben.
Rz. 208
Nach dem BGH sind die jeweiligen Herausgabeverpflichtungen im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aufzunehmen. Auf S. 8 des verbindlichen Formulars ist hierfür Gelegenheit gegeben und es sind einige der wichtigen Herausgabepflichten schon vorgesehen, die aber aus Sicht des Gläubigers nicht ausreichend und erschöpfend sind und deshalb stets der Ergänzung bedürfen.
Rz. 209
Hinweis
Eine etwaige Verletzung des Rechts des Schuldners auf Geheimhaltung oder informationelle Selbstbestimmung durch Preisgabe der in den Unterlagen enthaltenen Informationen muss der Schuldner im Wege der Erinnerung geltend machen. Der Gerichtsvollzieher kann deshalb zwar nicht die Herausgabevollstreckung, bei entsprechendem Verlangen des Schuldners aber die Übergabe an den Gläubiger um bis zu einer Woche – nicht länger – hinausschieben. Innerhalb der Frist hat der Schuldner dem Gerichtsvollzieher nachzuweisen, dass er Erinnerung eingelegt und einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt hat. Insoweit ist es dem Schuldner im Ausgangspunkt auch untersagt, die Unterlagen partiell zu schwärzen.
Rz. 210
Unterschiedliche Auffassungen bestehen im Hinblick darauf, ob der Pfändung vorgehende (vorrangige) Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse an den Gläubiger herauszugeben sind. Mit dem BGH wird schon aus prozessökonomischen Gründen, nämlich zur Vermeidung unnötiger Drittschuldnerklagen davon auszugehen sein, dass vorrangige Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse ebenso wie vorrangige Abtretungsurkunden jedenfalls dann herauszugeben sind, wenn auch künftige Forderungen gepfändet werden.
Bezüglich der Herausgabe der Lohnsteuerkarte hat der BFH erkannt, dass eine Herausgabepflicht nicht anzunehmen sei. Der BGH hat aber entschieden, dass die Herausgabe der Lohnsteuerkarte und anderer Besteuerungsunterlagen des Schuldners an den Vollstreckungsgläubiger erst dann angeordnet werden darf, wenn der Vollstreckungsgläubiger glaubhaft gemacht hat, dass er den Besitz dieser Urkunden aufgrund einer Beteiligung an dem Verfahren zur Festsetzung der Einkommensteuern des Schuldners, eines eigenen Einspruchs oder einer eigenen Klage gegen den Drittschuldner benötigt. Nachdem Lohnsteuerkarten nicht mehr ausgestellt werden, wird die Streitfrage gleichwohl im Hinblick auf den Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung weiter Bedeutung behalten. Den Streit im Hinblick auf die Herausgabepflicht der EC-Karte hat der BGH entschieden...