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Die Geschäftsleitung einer Gesellschaft und auch ein entsprechend beauftragter Compliance Officer haben auf Hinweise auf möglicherweise rechtswidriges Verhalten im Unternehmen unverzüglich zu reagieren. Die Legalitätspflicht gebietet es, den Sachverhalt aufzuklären, ein etwaig festgestelltes rechtswidriges Verhalten zu unterbinden und angemessen zu sanktionieren. Die Aufklärungspflicht ist uneingeschränkt, denn ein Ermessen besteht insoweit nicht.

Allein mit Blick auf die Art und Weise der Sachverhaltsaufklärung hat das Management unter Abwägung der Folgen jeweils zu entscheiden, ob es intern ermittelt (ggf. unter Einbindung externer Einheiten) oder ob es staatliche Ermittlungsbehörden im Wege eines Strafantrags einbezieht. Ausnahmen diesbezüglich bestehen in Bezug auf besonders schwerwiegende Delikte nach § 138 StGB, im Rahmen derer bei Untätigkeit eine eigenständige Strafbarkeit wegen "Nichtanzeige geplanter Straftaten" droht. Im Umkehrschluss lässt sich der Norm im Übrigen entnehmen, dass weitergehend grundsätzlich keine Verpflichtung zu einem Strafantrag besteht.

Zielsetzung eines jeden Ermittlungsverfahrens ist eine möglichst genaue und objektive Ermittlung des Sachverhalts. Interne Ermittlungen dienen insbesondere der Vorbereitung von arbeitsrechtlichen Maßnahmen und von Regressansprüchen sowie der Abwehr zivilrechtlicher Ansprüche Dritter gegen das Unternehmen. Bisweilen entspricht ein Unternehmen mit deren Durchführung aber auch aufsichtsbehördlichen Erwartungen.

Zugunsten der Durchführung interner Ermittlungen spricht, dass sich die potenziellen Gefahren für das Unternehmen, etwa in finanzieller oder in reputationsbezogener Hinsicht, besser steuern lassen, wenn eine gute oder zumindest bessere Sachverhaltskenntnis besteht. Zu berücksichtigen ist zudem, dass das Unternehmen eine Fürsorgepflicht gegenüber den im Verdacht stehenden Mitarbeitern des Unternehmens hat und diese und andere Beteiligte aus dem Unternehmen im Rahmen interner Ermittlungen ggf. bereitwilliger Auskunft erteilen, als gegenüber der Polizei oder der Staatsanwaltschaft. Stets und in jeder Phase indes bedarf es einer kritischen Abwägung mit Blick auf das gewählte Vorgehen, denn vorstellbar ist es, dass in gravierenden Situationen sich auch direkt eine staatliche Einbindung empfiehlt, etwa um bei aufkommendem medialen Interesse von Beginn an klare Verhältnisse zu schaffen und/oder um einen etwaigen Verdacht des Vertuschens innerhalb des Unternehmens zu vermeiden.

Die Erkennung und Aufdeckung von Compliance-Verstößen kann mittels der Durchführung von Mitarbeiterbefragungen, sog. Interviews, sowie etwa im Wege der Auswertung von Dokumenten bzw. Dateien und Mail-Accounts erfolgen.

Werden seitens des Arbeitgebers Dritte, insbesondere Anwälte, in die Ermittlungen eingebunden, kommt laut einem Urt. des BAG (v. 29.4.2021 – 8 AZR 276/20) ein Kostenerstattungsanspruch gegen den Mitarbeiter mit Blick auf die durch ihn verursachten Compliance-Kosten in Betracht, sofern der Arbeitgeber deren Erforderlichkeit hinreichend darlegt. Einem solchen Kostenerstattungsanspruch steht dem Urteil zufolge nicht die Regelung in § 12a ArbGG entgegen. Erstattungsfähig sind jedoch nur die erforderlichen Kosten der Aufklärung konkreter Verdachtsmomente. Es geht also ganz wesentlich darum, im Verfahren detailliert darzulegen, "welche konkreten Tätigkeiten bzw. Ermittlungen wann und in welchem zeitlichen Umfang wegen welchen konkreten Verdachts … ausgeführt wurden." Hierzu bedarf es einer guten Dokumentation und unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit der Kosten auch eines insgesamt verhältnismäßigen Vorgehens.

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