Dr. iur. Berthold Hilderink
Rz. 119
Weder die Zivilprozessordnung noch das Arbeitsgerichtsgesetz enthalten Bestimmungen, die die Verwertbarkeit von Erkenntnissen oder Beweismitteln einschränken, die eine Arbeitsvertragspartei rechtswidrig erlangt hat. Vielmehr gebieten der Anspruch auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG und der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) grundsätzlich die Berücksichtigung des Sachvortrags der Parteien und der von ihnen angebotenen Beweismittel (BVerfG v. 9.10.2002 – 1 BvR 1611/96 u.a., Rn 60, BVerfGE 106, 28; BAG v. 28.3.2019 – 8 AZR 421/17, Rn 28; BAG v. 22.9.2016 – 2 AZR 848/15, Rn 21; BAG v. 21.11.2013 – 2 AZR 797/11, Rn 43; BAG v. 16.12. 2010 – 2 AZR 485/08, Rn 30). Dementsprechend bedarf es für die Annahme eines Beweisverwertungsverbots einer besonderen Legitimation und gesetzlichen Grundlage (BAG v. 22.9.2016 – 2 AZR 848/15, Rn 21; BAG v. 21.11.2013 – 2 AZR 797/11, Rn 43; BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 546/12, Rn 20; vgl. auch BAG v. 13.12.2007 – 2 AZR 537/06, Rn 37). Dies gilt ebenso für ein etwaiges Sachvortragsverwertungsverbot (BAG v. 22.9.2016 – 2 AZR 848/15, Rn 21). In einem Kündigungsrechtsstreit greift jedenfalls kein Verwertungsverbot zugunsten des Arbeitnehmers ein, wenn der Arbeitgeber die betreffende Erkenntnis oder das fragliche Beweismittel im Einklang mit den einschlägigen datenschutzrechtlichen Vorschriften erlangt und weiterverwandt hat (BAG v. 31.1.2019 – 2 AZR 426/18, Rn 49; ausführlich BAG v. 23.8.2018 – 2 AZR 133/18, Rn 14 ff.).
Rz. 120
Ein Verwertungsverbot kann sich zwar aus einer verfassungskonformen Auslegung des Verfahrensrechts ergeben. Da der Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG grundsätzlich gebietet, den Sachvortrag der Parteien und die von ihnen angebotenen Beweise zu berücksichtigen, kommt ein "verfassungsrechtliches Verwertungsverbot" (Ehmann, Anm. AP BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 40) jedoch nur in Betracht, wenn dies wegen einer grundrechtlich geschützten Position einer Prozesspartei zwingend geboten ist (BAG v. 28.3.2019 – 8 AZR 421/17, Rn 28; BAG v. 23.8.2018 – 2 AZR 133/18, Rn 14; ausführlich BAG v. 22.9.2016 – 2 AZR 848/15, Rn 20 ff.).
Das setzt in aller Regel voraus, dass bereits durch die Informations- oder Beweisbeschaffung das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Partei verletzt worden ist, ohne dass dies durch überwiegende Belange der anderen Partei gerechtfertigt gewesen wäre (BAG v. 28.3.2019 – 8 AZR 421/17, Rn 28; BAG v. 23.8.2018 – 2 AZR 133/18, Rn 14). Überdies müssen die betroffenen Schutzzwecke des bei der Gewinnung verletzten Grundrechts der Verwertung der Erkenntnis oder des Beweismittels im Rechtsstreit entgegenstehen (BAG v. 28.3.2019 – 8 AZR 421/17, Rn 28; BAG v. 23.8.2018 – 2 AZR 133/18, Rn 14; BAG v. 15.8.2002 – 2 AZR 214/01, zu II 3 b aa der Gründe, BAGE 102, 190). Die prozessuale Verwertung muss selbst einen Grundrechtsverstoß darstellen (BAG v. 28.3.2019 – 8 AZR 421/17, Rn 28; BAG v. 23.8.2018 – 2 AZR 133/18, Rn 14 ff.).
Das ist der Fall, wenn das nach Art. 1 Abs. 3 GG unmittelbar an die Grundrechte gebundene Gericht ohne Rechtfertigung in eine verfassungsrechtlich geschützte Position einer Prozesspartei eingriffe, indem es eine Persönlichkeitsrechtsverletzung durch einen Privaten perpetuierte oder vertiefte (BAG v. 28.3.2019 – 8 AZR 421/17, Rn 28; BAG v. 23.8.2018 – 2 AZR 133/18, Rn 14). Insofern kommt die Funktion der Grundrechte als Abwehrrechte gegen den Staat zum Tragen (BAG v. 23.8.2018 – 2 AZR 133/18, Rn 14 ff.). Auf eine nicht gerechtfertigte Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts durch einen Privaten darf kein verfassungswidriger Grundrechtseingriff durch ein Staatsorgan "aufgesattelt" werden (vgl. BVerfG v. 31.7.2001 – 1 BvR 304/01, zu II 1 b bb der Gründe; BAG v. 28.3.2019 – 8 AZR 421/17, Rn 28; BAG v. 23.8.2018 – 2 AZR 133/18, Rn 14; BAG v. 23.4.2009 – 6 AZR 189/08, Rn 26).
Nicht abschließend geklärt ist, ob die Gerichte jenseits der sie treffenden Pflicht, ungerechtfertigte Grundrechtseingriffe zu unterlassen, wegen einer verfassungsrechtlichen Schutzpflicht gehalten sein können, einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Private aktiv zu begegnen und Sachvortrag oder Beweisantritte einer Partei aus Gründen der Generalprävention außer Acht zu lassen (BAG v. 28.3.2019 – 8 AZR 421/17, Rn 28; BAG v. 23.8.2018 – 2 AZR 133/18, Rn 14). Dafür wäre jedenfalls Voraussetzung, dass die verletzte Schutznorm in den betreffenden Fällen ohne ein prozessuales Verwertungsverbot leerliefe (BAG v. 28.3.2019 – 8 AZR 421/17, Rn 28; BAG v. 23.8.2018 – 2 AZR 133/18, Rn 14; zurückhaltend auch BGH v. 15.5.2018 – VI ZR 233/17, Rn 52).
Obwohl die Vorschriften des BDSG a.F. nicht die Zulässigkeit von Parteivorbringen und seine Verwertung im Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen begrenzen, und obgleich es für das Eingreifen eines Verwertungsverbots darauf ankommt, ob bei der Erkenntnis- oder Beweisgewinnung das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzt worden ist, sind die einfachrechtlichen Vorgaben insofe...