Frank-Michael Goebel, Dr. Jochen Schatz
Rz. 94
Liegen der Pfändung des Arbeitseinkommens Unterhaltsansprüche des jeweiligen Gläubigers zugrunde, ist es in einem weiteren Umfang der Pfändung unterworfen; die Pfändungsfreigrenzentabelle findet keine Anwendung (§ 850d Abs. 1 S. 1 ZPO), sofern der Gläubiger einen Antrag auf Vollstreckung nach § 850d ZPO stellt.
Rz. 95
Privilegiert sind die gesetzlichen Ansprüche auf laufende und künftige Unterhaltsleistungen sowie auf rückständige Leistungen, die nicht länger als ein Jahr vor dem Antrag auf Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses fällig geworden sind. Auf die Vollstreckung der gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 UVG übergegangenen Unterhaltsansprüche findet § 850d ZPO ebenso Anwendung, sofern sich daraus nicht ein Nachteil für den Unterhaltsberechtigten ergibt. Die bevorrechtigte Vollstreckung steht einem Unterhaltsgläubiger nur wegen seiner gesetzlichen Unterhaltsansprüche zu, nicht wegen darüber hinausgehender vertraglicher Ansprüche. Ein Anspruch aus schuldrechtlichem Versorgungsausgleich fällt nicht unter das Vollstreckungsprivileg. Um den Nachweis der Vollstreckungsprivilegierung eines Unterhaltsanspruchs gemäß § 850d Abs. 1 S. 1 ZPO zu erbringen, muss der Gläubiger einen Titel vorlegen, aus dem sich ergibt, dass der Vollstreckung ein Unterhaltsanspruch der in § 850d Abs. 1 S. 1 ZPO genannten Art zugrunde liegt. Sind Unterhaltsansprüche in einem Vollstreckungsbescheid tituliert, kann regelmäßig nur nach § 850c ZPO gepfändet werden. Allerdings ist die bevorrechtigte Unterhaltsvollstreckung des Landes nach UVG durch Vollstreckungsbescheid doch möglich: Für den Nachweis der Vollstreckungsprivilegierung eines Unterhaltsanspruchs gemäß § 850d Abs. 1 S. 1 ZPO muss der Gläubiger einen Titel vorlegen, aus dem sich – ggf. im Wege der Auslegung – ergibt, dass der Vollstreckung ein Unterhaltsanspruch der in § 850d Abs. 1 S. 1 genannten Art zugrunde liegt. Durch Die Änderung des Unterhaltsvorschussgesetzes vom 14.8.2017 wurde in das UVG der § 7 Abs. 5 neu eingefügt; danach hat der Gläubiger, der die Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid betreibt, zum Nachweis des nach § 7 Abs. 1 UVG übergegangenen Unterhaltsanspruchs dem Vollstreckungsantrag den Bescheid gemäß § 9 Abs. 2 UVG beizufügen.
Rz. 96
Für ältere Rückstände kommt die privilegierte Pfändung nur dann in Betracht, wenn der Schuldner sich seiner Zahlungspflicht absichtlich entzogen hat (§ 850d Abs. 1 S. 4 ZPO). Dabei trägt der Schuldner die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er sich seiner Zahlungspflicht nicht absichtlich entzogen hat. Das ist schon deshalb sachgerecht, weil der Gläubiger regelmäßig keine Kenntnis von den konkreten Lebensumständen des Schuldners und seiner Leistungsfähigkeit hat. Absichtlich entzogen hat sich der Schuldner seiner Leistungspflicht dann, wenn er durch ein zweckgerichtetes Verhalten (auch Unterlassen) die zeitnahe Realisierung der Unterhaltsschuld verhindert oder zumindest wesentlich erschwert.
Rz. 97
Da die Zwangsvollstreckungskosten nach der Vorschrift des § 788 ZPO das Schicksal der Hauptforderung teilen, erstreckt sich das Pfändungsvorrecht nach h.M. für Unterhaltsforderungen auch auf damit zusammenhängende notwendige Zwangsvollstreckungskosten.
Rz. 98
Bez. der Prozesskosten aus dem Unterhaltsrechtsstreit hat der BGH entschieden, dass diese keine gesetzlichen Unterhaltsansprüche sind und daher eine Vollstreckung aus dem entsprechenden Kostenfestsetzungsbeschluss nicht nach § 850d in den Vorrechtsbereich erfolgen kann. Verzugszinsen für rückständige Unterhaltsleistungen sind kein Unterhalt. Sie sind daher nach § 850c ZPO zu vollstrecken.
Problem in der Praxis
Die Auswirkungen dieser Regelung zeigen sich in der Praxis: Wird eine bevorrechtigte Einkommenspfändung aus einem Unterhaltstitel nebst Kostenfestsetzungsbeschluss sowie nebst bisheriger Vollstreckungskosten und Zinsen ausgebracht, muss differenziert werden, bezüglich welchen Betrags in den Vorrechtsbereich und bezüglich welchen Betrags in den allgemein pfändbaren Bereich nach § 850c ZPO vollstreckt wird. Dies führt sowohl bei Gläubigern als auch insbesondere bei den Drittschuldnern zu erheblichen Problemen – erst recht, wenn zudem auch noch Vorpfändungen zu berücksichtigen sind. Das bisherige Formular des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses enthielt auf Seite 9 noch folgenden Hinweis für Drittschuldner:
Zitat
Für die Pfändung der Kosten für den Unterhaltsrechtsstreit (das gilt nicht für die Kosten der Zwangsvollstreckung) sind bezüglich der Ansprüche A und B die gemäß § 850c ZPO geltenden Vorschriften für die Pfändung von Arbeitseinkommen anzuwenden; bei einem Pfändungsschutzkonto gilt § 850k Absatz 1 und 2 ZPO.
Dieser Hinweis fehlt in dem neuen Formular. Bei Falschberechnung der pfändbaren Beträge durch Drittschuldner, die die entsprechende Rechtsprechung nicht kennen, kann es insbesondere dann zu Problemen kommen, wenn ein Deliktsgläubiger ebenfalls in den Vorrechtsbereich pfändet. Denn bei der Pfänd...