Frank-Michael Goebel, Dr. Jochen Schatz
Rz. 84
Ausgangspunkt für die Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens, die grundsätzlich dem Arbeitgeber als Drittschuldner obliegt, ist das Nettoeinkommen des Schuldners. Zur Feststellung des maßgebenden Nettoeinkommens sind vom Bruttoeinkommen zunächst die nach § 850a ZPO unpfändbaren Einkommensteile in Abzug zu bringen.
Rz. 85
Gemäß § 850e Nr. 1 ZPO sind daneben solche Beträge abzuziehen, die unmittelbar aufgrund steuerlicher oder sozialrechtlicher Vorschriften zur Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen des Schuldners abzuführen sind.
Rz. 86
Zu den Abzügen aufgrund steuerlicher Vorschriften gehört insbesondere die vom Arbeitgeber einzubehaltende und an das Finanzamt abzuführende Lohnsteuer. Nachdem insoweit die anzuwendende Steuerklasse für die Höhe der Abzüge von Bedeutung ist, kann insbesondere der verheiratete Schuldner durch die Wahl der Steuerklasse maßgeblichen Einfluss auf die Höhe der Abzüge nehmen.
Rz. 87
Zur Berechnung des Nettoeinkommens hat das BAG in einer Grundsatzentscheidung am 17.4.2013 Abkehr von der bis dahin maßgeblichen so genannten Bruttomethode genommen. Danach ist das pfändbare Einkommen nach der Nettomethode zu ermitteln. Im Anschluss an den Abzug der nach § 850a ZPO unpfändbaren Beträge aus dem Bruttobetrag sind lediglich die Steuern und die vom Arbeitnehmer zu tragenden Sozialversicherungsabgaben in Abzug zu bringen, die auf das ohne die unpfändbaren Bezüge verbleibende Bruttoeinkommen zu zahlen sind. Der Drittschuldner muss in diesen Fällen also quasi zwei Abrechnungen für den Schuldner erstellen: zum einen die tatsächliche Abrechnung, zum anderen eine fiktive Abrechnung zur Ermittlung des pfändbaren Betrags ohne Berücksichtigung von unpfändbaren Bezügen.
Rz. 88
Beispiel
Berechnungsgrundlage Stand 1/2024: Stkl. 1, Geburtsdatum des Schuldners: 1.1.1995, keine Kinder
Bei einem Bruttoeinkommen von 3.000 EUR zzgl. 500 EUR unpfändbarer Bezüge ergibt sich unter Berücksichtigung von gesetzlichen Steuern und Sozialversicherungsabgaben ein Nettoeinkommen von 2.297,50 EUR.
Im Rahmen einer fiktiven Abrechnung ohne Berücksichtigung der unpfändbaren Bezüge errechnet sich ein Nettobetrag von 2.028,12 EUR.
Der pfändbare Betrag ist alsdann dem nach der Nettomethode errechneten (fiktiven) Einkommen i.H.v. 2.028,12 EUR zu entnehmen und von dem tatsächlichen Nettoeinkommen (2.297,50 EUR) in Abzug zu bringen.
Nach der Pfändungsfreigrenzentabelle Stand 1.7.2024 ergibt sich im vorgenannten Beispiel auf der Basis des fiktiven Nettoentgelts ein pfändbarer Betrag von 369,78 EUR, der an den Gläubiger abzuführen ist. Das tatsächliche Gehalt des Schuldners unter Berücksichtigung der unpfändbaren Bezüge i.H.v. 2.297,50 EUR verringert sich um den pfändbaren Betrag von 369,78 EUR, sodass dem Schuldner 1.927,72 EUR tatsächlich auszuzahlen sind.
Rz. 89
Es empfiehlt sich, die Lohnabrechnungen des Schuldners genau dahingehend zu prüfen, ob der Drittschuldner die Berechnung ordnungsgemäß vorgenommen hat.
Rz. 90
Zu den Abzügen aufgrund sozialrechtlicher Vorschriften gehören u.a. die Arbeitnehmeranteile an der gesetzlichen Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung. Gleichgestellt sind diesen Abgaben gemäß § 850e Nr. 1 S. 2 ZPO die Beiträge, die der Schuldner nach den Vorschriften der Sozialversicherung zur Weiterversicherung entrichtet oder an eine Ersatzkasse oder eine private Krankenversicherung leistet, soweit sie den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen. Zur Bestimmung des Betrags, der im "Rahmen des Üblichen" liegt, können die Versicherungsbeitragssätze zur gesetzlichen Krankenversicherung herangezogen werden, bzw. ist auf den Höchstsatz der gesetzlichen Kranken- oder Pflegeversicherung begrenzt.
Rz. 91
Hinweis
Beiträge des Arbeitnehmers aus seinem Netto-Arbeitsentgelt auf einen nach § 5 des Altersvorsorge-Zertifizierungsgesetzes zertifizierten Vertrag ("Riester-Rente") sind in maximaler Höhe des steuerlich begünstigten Betrages nach § 851 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 97 EStG unpfändbar. Sie haben bei der Berechnung des pfändbaren Betrages außer Betracht zu bleiben, sind also vom Nettoeinkommen abzuziehen.