Frank-Michael Goebel, Dr. Jochen Schatz
Rz. 59
Durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Pfändungsschutzkontos und zur Änderung von Vorschriften des Pfändungsschutzes (PKoFoG) vom 22.11.2020 wurde § 850c ZPO dahingehend geändert, dass gem. § 850c Abs. 4 ZPO die Pfändungsfreibeträge seither jeweils zum 1.7. jeden Jahres entsprechend der im Vergleich zum jeweiligen Vorjahreszeitraum sich ergebenden prozentualen Entwicklung des Grundfreibetrags nach § 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG angepasst wird; der Berechnung ist die am 1.1. des jeweiligen Jahres geltende Fassung des § 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG zugrunde zu legen. Im Laufe der Jahre erfolgte eine deutliche Erhöhung des Grundfreibetrags. Lag dieser ab 1.7.2019 (bis 30.6.2021) noch bei 1.179,99 EUR, so beträgt der Grundfreibetrag seit dem 1.7.2024 1.499,99 EUR. Ein pfändbarer Betrag ergibt sich bei einem Schuldner ohne Unterhaltspflichten somit erst ab einem Nettoeinkommen von 1.500 EUR. Dadurch wird die Zugriffsmöglichkeit der Gläubiger immer weiter eingeschränkt. Dennoch bietet sich das Arbeitseinkommen des Schuldners als besonders geeignetes Zugriffsobjekt des Vollstreckungsgläubigers zur Befriedigung seiner Forderungen an. Gerade in Zeiten des derzeitigen Fachkräftemangels haben viele Schuldner wieder eine Arbeitsstelle gefunden. Der Lohn fließt kontinuierlich und der Arbeitgeber ist – insbesondere seit der Einführung der Auskunftsrechte des Gerichtsvollziehers, § 802l Abs. 1 Nr. ZPO – als Drittschuldner meist gut feststellbar. Viele Drittschuldner (insbesondere kleinere Betriebe) wollen mit einer Lohnpfändung für den Mitarbeiter möglichst nichts zu tun haben und üben daher einen entsprechenden Druck auf den Mitarbeiter aus, damit dieser die Angelegenheit regelt und der Drittschuldner möglichst nicht belastet wird. Deshalb ist auch heute noch die Pfändung von Arbeitseinkommen eine aussichtsreiche Möglichkeit für den Vollstreckungsgläubiger, seine Ansprüche im Wege der Zwangsvollstreckung zumindest teilweise zu befriedigen – auch wenn es bisweilen lange dauert, bis er vollständig befriedigt ist.
Rz. 60
Da aber das Arbeitseinkommen meist die einzige Einkommensquelle des Vollstreckungsschuldners ist, benötigt er dieses für die Bestreitung seines Lebensunterhalts. Zum Schutze des Vollstreckungsschuldners enthält das Gesetz deshalb eine filigrane und hochkomplizierte Regelung über den Vollstreckungsschutz bei Arbeitseinkommen. Dadurch soll einerseits verhindert werden, dass der Vollstreckungsschuldner der Sozialhilfe anheimfällt; ihm soll vielmehr so viel bleiben, dass er auch weiterhin ein Interesse daran hat, einer – geregelten – Arbeit nachzugehen. Andererseits soll die Realisierung der Forderungen des Vollstreckungsgläubigers nicht unzumutbar erschwert werden.
Rz. 61
Deshalb sind:
Rz. 62
Die Erhöhung der Pfändungsfreigrenzen hat die Realisierung der berechtigten und titulierten Ansprüche des Gläubigers schwieriger gemacht. Umso wichtiger ist es, dass er die Möglichkeiten kennt, die Zwangsvollstreckung im Einzelfall optimal zu gestalten und – zumindest teilweise – zum Erfolg zu führen. Die nachfolgenden Ausführungen, Checklisten und Muster wollen hierzu Hilfestellung bieten.
Rz. 63
Checkliste bei der Pfändung von Arbeitseinkommen:
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Kommt zur Rangsicherung eine Vorpfändung nach § 845 ZPO in Betracht (zur Vorpfändung vgl. § 7 Rdn 159 ff. |
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Handelt es sich um eine "gewöhnliche Forderung" oder resultiert sie aus einem gesetzlichen Unterhaltsanspruch oder aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung? Dann ist eine bevorrechtigte Pfändung nach § 850d bzw. § 850f Abs. 2 ZPO möglich. |
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Handelt es sich um einen sog. Luxusschuldner mit einem Nettoeinkommen oberhalb des Endbetrags der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung (über 4.573,10 EUR, Stand seit 1.7.2024). Dann ist die besondere Berechnung des pfändbaren Betrags zu beachten. |
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Ist der Drittschuldner hinreichend genau bezeichnet? |
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Besteht die Möglichkeit der Zusammenrechnung von Arbeitseinkommen mit anderen Arbeitseinkommen und/oder mit Sozialleistungen (z.B. Rente, Wohngeld, bei Wohngeld die eingeschränkte Pfändbarkeit nach § 54 Abs. 3 Nr. 2a SGB I beachten)? Oft besteht erst nach der Zusammenrechnung ein Pfändungszugriff. |
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Besteht die Möglichkeit der Zusammenrechnung mehrerer Sozialleistungen (z.B. Rente und Unfallrente)? |
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Hat der Drittschuldner den pfändbaren Betrag richtig berechnet und auch tatsächlich eingehalten und abgeführt? Stets die Lohnabrechnungen einziehen und kontrollieren und dabei an Überstunden und das Weihnachtsgeld etc. denken; übersteigen das Urlaubsgeld, Treueg... |