Frank-Michael Goebel, Dr. Jochen Schatz
Rz. 457
Zum 20.9.2012 sind wesentliche Änderungen der Beihilfeverordnung in Kraft getreten. Beamtenrechtliche Ansprüche auf Beihilfe im Krankheitsfall sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts höchstpersönlicher Natur und waren bis zum 20.9.2012 weder abtretbar noch pfändbar noch einer Aufrechnung zugänglich (§ 51 BeamtVG, §§ 394, 399 BGB, § 851 Abs. 1 ZPO). In der Rechtsprechung des BGH sind seit langem außer der Höchstpersönlichkeit von Ansprüchen die Fälle der Zweckbindung als Pfändungshindernisse anerkannt, die den Gläubigerzugriff gemäß § 851 Abs. 1 ZPO ausschließen, soweit er mit dem zum Rechtsinhalt gehörenden Anspruchszweck unvereinbar wäre. Der allgemeine Rechtsgedanke der Zweckbindung als dauerndes oder vorübergehendes, jedenfalls aber nach dem jeweiligen Zweck der Bindung beschränktes Pfändungshindernis steht hinter der Regelung zur beschränkten Pfändbarkeit von Heirats- und Geburtsbeihilfen in § 850a Nr. 5 ZPO. Diese Beihilfen sind nach ihrem Zweck nur einer Pfändung der Gläubiger zugänglich, die gerade wegen ihrer aus Anlass des privilegierten Zwecks entstandenen Ansprüche gegen den Beihilfegläubiger vollstrecken (sog. Anlassgläubiger). Beihilfeansprüche sind zweckgebunden. So war die Beihilfe bislang pfändbar, wenn der Gläubiger einen Anspruch vollstreckt, für den ein Beihilfeanspruch des Schuldners besteht. Im Hinblick auf die nach § 394 BGB wegen des Abtretungsverbots nach § 10 Abs. 1 BBhV unzulässige Pfändung gilt derselbe Rechtsgedanke. Beruht die Forderung, mit welcher gegen den beamtenrechtlichen Beihilfeanspruch aufgerechnet werden soll, auf einer im Rahmen desselben Beamtenverhältnisses im Zusammenhang mit früheren Beihilfeanträgen begangenen vorsätzlichen unerlaubten Handlung des Antragstellers oder liegt ein besonders anstößiges (Vor-)Verhalten des Aufrechnungsgegners vor, so ist die Aufrechnung nicht wegen eines Abtretungsverbots unwirksam. Die Pfändungsmöglichkeit aufgrund einer beihilfefähigen Leistung des Gläubigers wurde vom Gesetzgeber in § 10 Abs. 1 S. 2 BBhV jedoch erweitert, der Anspruch ist prinzipiell vererblich, was eine Einschränkung des höchstpersönlichen Charakters der Beihilfeforderung bedeutet.
Rz. 458
Sowohl nach § 850a Nr. 5 ZPO als auch nach den zitierten Beihilfevorschriften des Bundes wird die Pfändbarkeit von Beihilfeansprüchen wegen deren Zweckbindung ausdrücklich für den Fall anerkannt, in dem der Vollstreckungsgläubiger wegen einer Forderung pfändet, die als Aufwand des Beamten dem konkreten Beihilfeanspruch zugrunde liegt (Anlassforderung). In dieser Fallgestaltung erfüllt die Pfändung gerade den Zweck der Beihilfegewährung, weil sie zur (teilweisen) Befriedigung des Anlassgläubigers einer bestimmten – hier medizinischen – Tätigkeit dienen kann, von deren Aufwand die konkrete Beihilfeleistung entlasten soll.
Rz. 459
Aus der Zweckbindung der beamtenrechtlichen Krankenbeihilfe ergibt sich, dass ein Anlassgläubiger den Beihilfeanspruch seines Schuldners nur solange pfänden kann, wie nach Rechnungsstellung und Einreichung des Beihilfeantrags der korrespondierende Beihilfeanspruch gegen den Dienstherrn noch besteht. Hat der Dienstherr die Beihilfe an den Schuldner bereits ausgezahlt, so dass der konkrete Beihilfeanspruch durch die Zahlung erloschen ist, greift gegen den nicht mehr begünstigten Vollstreckungsgläubiger für die weiteren gegenwärtigen und zukünftigen Beihilfeansprüche aufgrund von anderen krankheitsbedingten Aufwendungen des Beamten das Pfändungshindernis der Zweckbindung ein. Denn diese begünstigt nunmehr allein die späteren Anlassforderungen beihilfefähiger Aufwendungen.
Rz. 460
Hinweis
Nach der Auffassung des BGH dürfte selbst für den Arzt oder das Krankenhaus die Pfändung des Beihilfeanspruchs regelmäßig ins Leere gehen, weil nach Rechnungsstellung und Einreichung der konkreten Rechnung die Beihilfeleistung erbracht ist und damit das Pfändungshindernis der Zweckbindung besteht. Zwischen Einreichung des Beihilfeantrags und Leistung der Beihilfe liegen regelmäßig wenige Tage, höchstens wenige Wochen.
Rz. 461
Tipp
Der jeweilige Anlassgläubiger (Arzt und/oder Krankenhaus) kann sich vor dem zweckwidrigen Einzug und Verbrauch der beamtenrechtlichen Krankenbeihilfe für die allgemeine Lebensführung nur dadurch schützen, dass er sich diesen Anspruch zur Sicherheit abtreten lässt
Eine solche Abtretung hält der BGH in einem "obiter dictum" nach § 400 BGB für wirksam. Ihr stünden insoweit auch keine Bedenken wegen der Auskunftspflicht des bisherigen Gläubigers (§ 402 BGB) und des Schutzes seiner medizinischen Daten entgegen.
Nach der Überweisung beamtenrechtlicher Beihilfeleistungen auf das Konto des Schuldners sind diese jedenfalls grundsätzlich pfändbar.